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Langer Amtsweg. Viele Berliner empfinden den Gang zum Bürgeramt als Zumutung. Stundenlang müssen Klienten warten. Den Behörden fehlt das Personal.

© Kai-Uwe Heinrich

Bürgerämter: Wer zuerst kommt, wartet zuerst

Berliner fluchen über die Geduldsproben in den Bürgerämtern, den Bezirken fehlt das Personal. Ein Ämter-Besuch in Charlottenburg, Kreuzberg, Pankow, und Prenzlauer Berg.

Das schmucke Rathaus von Charlottenburg dürfte in Sachen Wartezeit einen der vorderen Plätze belegen. In der frisch renovierten Eingangshalle schlurfen rund 50 genervte Menschen durch die Gänge, ein Mann an einem Eckplatz ist bereits eingeschlafen. Und es ist Freitag, noch einer der besseren Tage, wie die Frau am Empfang sagt. „Im Schnitt warten sie hier ohne Termin drei bis sieben Stunden“, seufzt sie. „Wir können es ja auch nicht ändern, es sind einfach zu wenig Mitarbeiter.“ Sechs Büros sind heute besetzt. Angesichts der horrenden Wartezeiten verlassen die meisten das Bürgeramt direkt, nachdem sie eine Nummer gezogen haben und gehen noch einen Kaffee trinken – oder zwei. Wer gar nicht warten will, der sollte im Voraus planen, denn feste Termine über das Internet sind hier bereits bis Anfang August ausgebucht. Problematisch wird das vor allem bei Wohnungsanmeldungen, die innerhalb von zwei Wochen getätigt sein müssen. Wer keinen Termin hat, muss warten – und das können sich die wenigsten Berufstätigen leisten. Man kenne diese Probleme und sei daher auch mit den Fristen kulant, sagt Bezirksstadtrat Marc Schulte (SPD). „Niemandem droht sofort ein Bußgeld“, versichert er.

Am Eingang des Bürgeramts in Neukölln weist bereits ein Zettel auf die Überlastung hin: „Es werden keine Wartemarken mehr vergeben.“ Die, die noch eine Marke ergattern konnten, vertreiben sich die Zeit. Die Französin Leila hat es sich auf den Stufen des Amtes bequem gemacht. „Ich bin seit etwa 8.30 Uhr hier. Erst hatte ich die Wartenummer 61, dann gab mir einer die 55, und vorhin habe ich die 38 gefunden.“ Gerade wurde die 30 aufgerufen. Leila will sich in Berlin anmelden. Dorothee hat die Ummeldung schon geschafft. Erleichtert läuft sie an der Französin vorbei und erzählt: „Ich bin um 7.40 Uhr gekommen, als das Amt noch zu war. Da standen schon die Leute an, und ich habe die Nummer 22 gezogen. Drei Stunden hat das gedauert!“ Am Infoschalter sitzt Rainer Koltermann. „Seit zwei Wochen ist es hier so voll. Heute habe ich einen nach Marzahn-Hellersdorf geschickt, hier war schon zu. Ob es da besser ist, weiß ich nicht!“ Da wird so mancher auch mal wütend. Koltermann versteht das und bietet dann einen Termin an. Der nächste freie Termin wäre am 26. Juli, also in rund drei Wochen.

Im Warteraum des Kreuzberger Bürgeramts in der Schlesischen Straße herrscht dagegen gähnende Leere. Eine Anzeige ruft den „Terminkunden“ mit der Nummer 1 304 913 auf, aber keiner ist da. Bis 31. August werden hier ausschließlich Klienten mit Terminen betreut. Wer ohne kommt, erhält einen Terminvorschlag mit knapp drei Wochen Wartezeit. Der Bezirk hat ein Dutzend Kräfte aus dem Team zur Unterstützung auf die anderen beiden Bürgerämter des Bezirks verteilt. Vor Ort sind jetzt zwei Sachbearbeiterinnen und eine Kraft an der Information. „Die Arbeit dort ist am belastendsten“, sagt eine Mitarbeiterin. Niemand sei zufrieden damit, Kunden wegschicken zu müssen, „aber die Leute planen für die Ferien nicht voraus und kommen erst in letzter Minute.“

Im Warteraum sitzt auch Karina Vogt. Sie wundert sich, dass sie alleine ist. Von den kleinen Dramen, die sich am Infostand abspielen, bekommt sie nichts mit, sie hat ihren Termin vor Wochen online gebucht. „Ich mache das immer, seit ich einmal stundenlang warten musste“, sagt sie. Nach zwanzig Minuten kann sie wieder gehen. Im Warteraum ist man inzwischen zu viert.

Auch im Bürgeramt Prenzlauer Berg in der Fröbelstraße harren Dutzende stundenlang in den Warteräumen aus. Einer von ihnen ist Klaus Jankowski. Er ist um 10.34 Uhr in das Amt gekommen, um einen neuen Personalausweis zu beantragen und hat die Nummer 121 gezogen. Jankowski ist guter Dinge. Noch. „Ich habe mich darauf eingestellt zu warten“, sagt der Rentner. Eine Stunde später ist Jankowski bereits unruhig. „Früher ging das schneller. Die haben zu wenig Personal hier“, beklagt er. Zwar werden immer wieder Wartende aufgerufen, doch handelt es sich dabei vor allem um Klienten, die im Internet einen Termin ausgemacht hatten. Sie werden bevorzugt und müssen sich keine zehn Minuten im Amt gedulden. Zum Leidwesen der anderen. Als gegen 12.00 Uhr 92 Personen anstehen, wird dem Wartenummernautomat der Stecker gezogen. Da reicht es Jankowski. Er beschwert sich beim Leiter des Bürgeramtes – und wird vertröstet. Er hätte vorher einen Termin ausmachen müssen. Um 12.42 Uhr blinkt auf der Wartetafel endlich seine Nummer 121 auf. Nach zwei Stunden und acht Minuten Wartezeit. ffe/kav/mop/ses

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