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Schnee und Kälte hat die Hauptstadt im Griff - und das auch noch nach dem offiziellen Frühlingsbeginn.

© dpa

Wetter: Kälte und Schnee Ende März: Berlin friert im Jahrhundertwinter

Jede Menge Schnee und bittere Kälte noch Ende März – das hat es in Berlin seit mehr als hundert Jahren nicht gegeben. Trotzdem zwitschern schon Vögel, die Frühblüher wärmt die weiße Decke. Doch die Gärtnereien bangen ums Ostergeschäft.

Schneepflüge auf Straßen und Bürgersteigen, weiße Gärten, Rodelspaß im Grunewald, und so mancher Hund trägt noch sein Mäntelchen: „So etwas hat es im letzten Märzdrittel in Berlin seit Beginn der offiziellen Schneemessungen um 1895 nicht gegeben“, sagt Wetterkundler Friedemann Schenk vom Meteorologischen Institut der Freien Universität (FU). „Das ist ein absoluter Rekord, eine Jahrhundertwetterlage.“ Nach Schenks Vorhersage wird sich der Winter auch vorerst nicht zurückziehen. Am Wochenende soll zwar die Sonne scheinen und kaum weiterer Schnee fallen, doch nachts kann es bis zu minus 12 Grad Celsius kalt werden. Von Frühling keine Spur. Auch nicht in der kommenden letzten Märzwoche. Es soll winterlich bleiben. Was heißt das für die Singvögel, für die Park- und Gartenpflanzen, für Gärtnereien und Obstlandwirte?

Gärtnereien und Obstplantagen

Vielen Hobbygärtner kribbelt es in den Fingern, sie würden gerne auf Balkons und in Gärten endlich loslegen. Doch die Geduldsprobe, die sie ertragen müssen, ist für die etwa 220 Großgärtnereien und viele Blumencenter in Berlin und Brandenburg bereits eine „dramatische Lage“. „Unsere Gewächshäuser quellen über mit Stiefmütterchen, Primeln, Tausendschön und anderen frühen Zierpflanzen, die uns zurzeit keiner abkauft“, klagt der Geschäftsführer des regionalen Gartenbauverbandes Andreas Jende. Gleiches gelte für junge Gemüsepflanzen. „Das ganze wichtige Vorostergeschäft bricht weg.“ Hinzu kommen extrem hohe Energiekosten. Und die unverkaufte Ware blockiere den Platz, „der gebraucht wird, um ab März Sommerblumen anzuziehen“.

Frühblüher und Gehölze

Biologin Barbara Jäckel vom Amt für Pflanzenschutz in Britz schaute am Donnerstag verwundert in ihre Aufzeichnungen vom vergangenen Jahr. „Schon am 18. März 2012 standen die Forsythien in Vollblüte, die Buschwindröschen hatten Farbe, es war um die 20 Grad plus“, sagt sie. Frühblüher wie Schneeglöckchen, Krokusse oder Narzissen, die schon beim Frühlingsintermezzo Anfang März aus der Erde drängten, seien nicht gefährdet, „solange der Schnee sie wie eine Decke wärmt.“ Gleiches gelte für Gartenstauden. Auch Sven Wachtmann, Fachberater beim Verband der Kleingärtner, ist entspannt. Glücklicherweise sei es vor etwa drei Wochen nur kurzfristig bis zu 15 Grad warm gewesen. Dadurch trieben auch Sträucher wie Forsythien noch nicht so weit aus, dass Blütenansätze jetzt erfrieren könnten. Ähnlich ist die Situation auf Brandenburgs Obstplantagen, weshalb die Landwirte um Werder und Potsdam nicht um ihre Ernte fürchten. „Bedrohlicher sind Spätfröste“, heißt es bei ihrem Verband.

Gartenschädlinge und Pilze

Schadet der extreme Winter den Blattläusen und anderen Gartenplagen? „Keineswegs“, sagen die Fachleute. Die Läuseeier überwintern gut geschützt an Stängeln und in Astritzen. Jungschnecken und Schneckeneier profitieren wie die Frühblüher vom Schnee, der sie am Boden wärmt. Und für Pilze ist die weiße Decke sogar ein regelrechtes Treibhaus. Zumindest auf Rasenflächen kann sich darunter der sogenannte Schneeschimmel entwickeln. Setzt Tauwetter ein, sieht die Wiese wie abgestorben aus.

Singvögel und Krähen

Manche Vögel hatten schon Anfang März mit dem Nestbau angefangen. „Klar, da konnte man bei der kurzen Wärmeperiode schon Frühlingsgefühle bekommen,“ sagt Vogelfachmann Harro Strehlow vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Doch seit der Winter zurückgekehrt ist, wird in der Vogelwelt nicht mehr am Nest geackert. Die Tiere plustern sich gegen die Kälte auf oder suchen Futter. Nahrung gibt es trotz Schnee genug. „Zufüttern ist jetzt aber okay“, sagt Harro Strehlow. Sobald Tauwetter einsetze, solle man aber die Futterhäuschen wegräumen, „damit sich die Vögel selbst aus der Natur ernähren.“ Und wieso tschilpen die Spatzen und singen die Grünfinken bereits trotz Kälte und Schnee? Die Lust daran wird ab Märzbeginn durch die zunehmende Tageslänge ausgelöst.

Ein Blick auf den Verkehr

Großflächige Winterprobleme gab es auf Berlins Straßen zuletzt nicht. Pech hatten am Donnerstag aber alle, die die Heerstraße in Spandau passieren mussten. Dort herrschte totales Chaos mit kilometerlangen Staus. Wo wegen der Brückenbauarbeiten ohnehin nur ein Fahrstreifen pro Richtung zur Verfügung steht, musste am Donnerstagnachmittag zum Beginn des Berufsverkehrs eine weitere Spur wegen Fahrbahnschäden gesperrt werden. Mit einer Baustellenampel wurden die Fahrzeuge wechselseitig über eine einzige Fahrspur gelotst. Die Polizei bestätigte Berichte von Autofahrern, wonach die Passierdauer bis zu eineinhalb Stunden betrug. In den frühen Nachtstunden sollte die Spur wieder freigegeben werden. Auch die S-Bahn kämpfte am Donnerstag mit Winterproblemen. Erneut fielen vormittags „wetterbedingt“ drei Züge der Baureihe 480 aus.

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