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Alles Schrott. Stefan Schridde glaubt daran, dass gierige Hersteller kühl mit der Kurzlebigkeit ihrer Produkte planen. Zu Hause in Weißensee sammelt der Betreiber des Blogs „Murks? Nein danke“ entsprechende Geräte für sein geplantes „Murkseum“.

© Doris Spiekermann-Klaas

„Geplante Obsoleszenz“: Wider den Elektromurks

Was viele für normalen Geräteverschleiß halten, nennt Stefan Schridde „geplante Obsoleszenz“ – und bloggt dagegen an. Am Montag wird in Kreuzberg eine sogenannte "Repair Night" veranstaltet. Aus alt mach neu, heißt es dann.

Sogar seinen Schreibtischstuhl hat Stefan Schridde verarztet, mit Paketschnur und Klebeband. Der Stuhl hat seine besten Zeiten lange hinter sich. Schon bevor er zu Schridde kam, war er aussortiert worden, doch Schridde gab ihm ein zweites Leben in seiner Wohnung in Weißensee. Er wirft ungern Dinge weg. Außerdem kann er „alles heile machen“, wie er sagt – nicht nur Stühle. Über seinen Flachbildfernseher sagt er lachend, er freue sich schon, wenn der den Geist aufgebe. Dann kann er wieder tüfteln.

Doch es ist nicht nur die Freude am Reparieren. Stefan Schridde, Coach und Projektmanager, hat einem Gegner den Kampf angesagt, dessen Existenz höchst umstritten ist: der geplanten Obsoleszenz. Sie besagt, dass Hersteller auch in hochwertige Produkte absichtlich billige Verschleißteile einbauen, so dass die Waren früh kaputtgehen – am besten kurz nach Ablauf der Garantie. Um den Beweis anzutreten, hat Stefan Schridde Anfang des Jahres den Blog „Murks? Nein danke!“ gestartet. Hier sammelt er Kundenbeschwerden und macht die Hersteller sichtbar, deren Produkte am häufigsten kaputtgehen. Außerdem fordert er Kunden auf, ihm ihre Murksprodukte zu schicken.

Im kommenden Jahr möchte er mit diesen Gegenständen ein „Murkseum“ in Berlin eröffnen. Darunter sind Stabmixer mit Zahnrädern aus minderwertigem Kunststoff und Bildschirme mit zweitklassigen Kondensatoren, die bei hohen Temperaturen platzen. Die einen sagen: Der Grund für solche Verschleißteile ist der Kunde, der immer billigere Produkte möchte. Die anderen sind der Meinung: Es sind die Hersteller, die durch die kurze Lebensdauer ihrer Produkte die Verkäufe in die Höhe treiben. Ob geplant oder nicht, der Schrott, der durch den immensen Verschleiß produziert wird, ist enorm und landet gar nicht so selten auf Müllhalden in Dritte-Welt-Ländern.

Stefan Schridde singt gerne Blues – begleitet von seiner Gitarre, die jetzt im Eck steht. Früher fielen ihm nie Texte ein zu seinen Songs. Heute hat er Material ohne Ende. In seiner Freizeit besingt er die geplante Obsoleszenz. Er habe eine Verantwortung, seinen zwei Kindern gegenüber. „Ich nenne das nicht Nachhaltigkeit, sondern Enkelfähigkeit“, sagt er. Mit seinem Blog möchte er Druck auf die Hersteller ausüben. Rund tausend Kundenmeldungen sind bei ihm eingegangen. „Es ist inzwischen ein Halbtagsjob“, sagt Schridde.

Als Beweis für die geplante Obsoleszenz zeigt Schridde eine Zahnbürste, die ein Freund für ihn aufgesägt hat. „Da steckt ein ganz normaler Akku drin. Wenn der nicht fest verbaut wäre, könnte man ihn einfach austauschen“, sagt Schridde. Der Hersteller gibt an, der Akku vertrage die Feuchtigkeit im Bad nicht. Schridde verweist darauf, es gebe sogar Unterwasserkameras mit austauschbarem Akku. „Und da wird es nasser als in meinem Badezimmer.“

Jürgen Nadler, wissenschaftlicher Leiter bei der Stiftung Warentest, ist genervt von der Diskussion. „Wir haben keine Informationen darüber, dass auch höherwertige Produkte heute öfter kaputtgehen“, sagt er. Wenn man allerdings einen DVD-Spieler für vierzig Euro kaufe, dürfe man sich nicht wundern, wenn der bald nicht mehr funktioniert. An geplante Obsoleszenz glaubt Nadler nicht. „Wenn alle Produkte eines Anbieters nach eineinhalb Jahren kaputtgehen, laufen ihm doch die Kunden weg.“ Da müssten sich schon alle Hersteller geeinigt haben – und das sei bloße Verschwörungstheorie.

Die Schrottschwemme bleibt so oder so. Im Kreuzberger Betahaus wird dagegen getüftelt. Die kreative Gruppe „Bausteln“ der offenen Werkstatt „Open Design City“ arbeitet jeden Montag mit kaputten Gegenständen und gibt ihnen eine neue Verwendung. In unregelmäßigen Abständen werden „Repair Nights“ angeboten, bei denen kaputte Elektrogegenstände und andere Waren nicht umgebaut, sondern repariert werden. Der nächste Termin ist am heutigen Montag. Softwareentwickler Sebastian Burkhart gehört zu den Organisatoren. „Wir wollen das Wissen, das in der Hand der Konzerne ist, normalen Leuten weitergeben“, sagt er. Denn wenn nur die Hersteller ihre eigenen Produkte reparieren können, haben sie „die volle Kontrolle darüber, wann man sie verschrotten muss“.

Ihr Ziel teilen die Baustler mit den Machern der Webseite www.ifixit.com. Hier gibt es Anleitungen für Elektroreparaturen. Für die beginnenden Weihnachtseinkäufe rät Stefan Schridde, im Geschäft zu prüfen, dass der Akku nicht fest eingebaut ist, und nachzufragen, ob die Ersatzteile für die kommenden fünf Jahre gewährleistet sind. Dann kann man auch selbst mal ein paar Schrauben drehen.

Am Montag, 3. Dezember, findet ab 19 Uhr eine „Repair Night“ der Open Design City im Betahaus, Prinzessinnenstraße 19-20 in Kreuzberg statt. Mail: sebastianburkhart@me.com, Infos: www.bausteln.de, www.murks-nein-danke.de

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