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Ganz nüchtern war Marina Jubelt nicht, als sie mit Freundinnen die „Schnippel-Girls“ gründete. Dank ihnen hat die Gartenkolonie „Freiheit“ aber jetzt Bienenstöcke, eine Imkerstation, einen Barfußpfad und eine Streuobstwiese.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die „Schnippel-Girls“ aus Berlin-Neukölln: Wie aus einer Schnapsidee ein Naturerlebnisprojekt wurde

Sie wollten nur einen neuen Spielplatz – am Ende steht ein Umweltprojekt für die ganze Nachbarschaft. Mit dem Verkauf selbstgebastelter Deko konnten die „Schnippel-Girls“ einen Naturlehrpfad finanzieren.

Am Anfang stand eine weihnachtliche Schnapsidee. „Im wahrsten Sinne des Wortes“, sagt Marina Jubelt und lacht. Während die meisten Schnapsideen allerdings genau das bleiben, wurde diese mit der Zeit größer und größer. Aus einer Gruppe von elf Frauen, die sich – nicht ohne eine gewisse Selbstironie – die „Schnippel-Girls“ nennen, ist ein gefördertes Naturerlebnisprojekt für die Nachbarschaft geworden.

Es war die Weihnachtsfeier 1998, im Vereinsheim der Neuköllner Gartenkolonie „Freiheit“ am Dammweg, als alles begann. „Wir waren nicht mehr ganz nüchtern und haben irgendwann überlegt, dass unsere Gartenkolonie keinen Kinderspielplatz mehr hat“, erzählt Marina Jubelt. Das wollten sie ändern.

Die Frauen sind alle mehr oder weniger aufgewachsen in der Gartenkolonie, Marina Jubelt verbrachte ihre halbe Kindheit in der Schrebergartenparzelle – und dann auch einen großen Teil ihres restlichen Lebens. Aus der Idee eines neuen Spielplatzes entstanden im Frühjahr 1999 die „Schnippel-Girls“. „Wir haben uns überlegt: Was können wir tun? Wir können basteln und versuchen, das irgendwie an den Mann zu bringen. Und was muss man beim Basteln tun? Schnippeln. Also Schnippel-Girls“, erklärt Jubelt den Namen.

Auch eine Fahrradreparaturstation gehört zum Projekt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die Frauen verkauften Selbstgebasteltes an die anderen Gartenpächter:innen, „auch wenn ich nicht weiß, ob sie das immer gebrauchen konnten“, sagt Marina Jubelt. Knapp ein Jahr später, im Frühjahr 2000, konnten die Frauen von dem Geld das erste Spielgerät, eine Rutsche kaufen.

Danach entstand ein Kinderhaus, immer mehr Anwohner:innen auch aus der benachbarten Weißen Siedlung besuchten die Kolonie. Es gab Kinderfeste, Spiele, die Frauen verkauften ihre Basteleien auch auf Adventsmärkten und veranstalteten irgendwann ihren eigenen. Mit den Einnahmen wuchs der Spielplatz, es gab neue Geräte, einen neuen Untergrund. 

Mittlerweile kommen auch viele Anwohner:innen aus der benachbarten Weißen Siedlung in die Kleingartenkolonie.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Und irgendwann war der Platz voll, aber wir hatten immer noch Lust zu basteln“, sagt Marina Jubelt. Ihr Mann Michael kam dann mit der Idee eines Insektenhotels. Und wie auch beim Spielplatz wurde die Idee größer und größer: Am Ende planten die Schnippel–Girls einen großen Naturlehrpfad, suchten Sponsor:innen und wurden unter anderem von der Stiftung Naturschutz unterstützt.

Mittlerweile zieht sich der Naturlehrpfad durch die gesamte Kolonie und ist in dieser Form wohl einzigartig in Berlin. Es gibt unter anderem einen Schau- und Lehrgarten, Bienenstöcke und eine Imkerstation, eine Fruchthecke, einen Barfußpfad, eine Streuobstwiese, einen Holzbackofen und viele Schautafeln mit Erklärungen. „Wir wollen, dass die Kinder Spaß haben, dass sie alles anfassen und schmecken können“, sagt Marina Jubelt. 

Lebenraum Garten: Viele Schautafeln mit Erklärungen sollen Kindern und ihren Eltern die Natur näher bringen.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Und dass auch die Erwachsenen sich weiterbilden können und den Pfad mit den Kindern gemeinsam erleben können.“ Generell sei das der größte Lohn für ihren ehrenamtlichen Einsatz, die glücklichen Kinder.

„Einmal kam ein Mädchen mit einer Schulgruppe, die die Beete wässern wollte“, erzählt sie. Und auf dem gemähten Rasen davor habe ein einzelnes Blümchen gestanden. „Das Mädchen ging mit der Gießkanne zu dem Blümchen und als die Lehrerin sagte, das brauche sie nicht gießen, das sei Unkraut, wurde sie richtig wütend, stampfte mit dem Fuß und rief: ‘Das hat auch Durst!‘“, erzählt Marina Jubelt.

Auch zu tierischen Bewohnern der Kleingärten gibt es Infos.

© Kitty Kleist-Heinrich

Natürlich verlief auch bei dem Projekt nicht immer alles gut: Da wurden Gelder zu- und wieder abgesagt, da sträubten sich Gartenpächter:innen gegen zu viele Besucher:innen, auch aus Angst vor möglichem Krach und Vandalismus. Die Befürchtungen hätten sich aber nicht bestätigt, sagt Jubelt.

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Und mittlerweile seien auch die Pächter:innen überzeugt vom Naturpfad – etwa von den Bienenkisten: Statt den befürchteten Insektenstichen gibt es seitdem vor allem eine reichere Obsternte. Seit kurzem gibt es auch eine Fahrradreparaturstation für die Radler:innen, die auf dem Mauerweg an der Gartenkolonie vorbeikommen.

Zurzeit können viele Veranstaltungen nicht stattfinden. Sonst gibt es etwa Kinderhausfeten, Schaubacken, Schauimkern, Führungen und den bereits erwähnten Laubenpieper-Adventsbasar. „Die Menschen können natürlich trotzdem gerne kommen“, sagt Marina Jubelt. Der Naturlehrpfad ist ausgeschildert, am Eingang der Kolonie am Dammweg 208 weisen Flyer auf Rundweg und Stationen hin.

Weitere Infos zu den Schnippel-Girls und dem Naturlehrpfad gibt es unter naturlehrpfad-neukoelln.de

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