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Berlin: Wie Berlin wieder flüssig wird

Auch wenn Karlsruhe grünes Licht für Finanzhilfen gibt, gilt es weiter zu sparen, fordert die Wirtschaft

Berliner Unternehmer setzen darauf, dass das Bundesverfassungsgericht heute grünes Licht für Sanierungshilfen des Bundes gibt. Manche allerdings mit schlechtem Gewissen. „Entscheidet Karlsruhe gegen die Zuschüsse, wäre das eine schreckliche Sache für das hoch verschuldete Berlin“, sagt Andreas Eckert, Vorstandschef der Medizintechnikfirma Eckert & Ziegler AG. „Andererseits könnte eine Entscheidung für neue Hilfsmittel ein falsches Signal setzen: Es lohnt sich für Politiker nicht, den Haushalt schuldenfrei zu halten.“ Eckert erwartet daher strenge Auflagen, damit die Mittel ausschließlich für die Haushaltssanierung eingesetzt werden, „sonst geht hier die Fete los“.

Seit 2002 setzt sich die Hauptstadt für Hilfen des Bundes ein, um die mittlerweile auf über 60 Milliarden Euro angewachsene Schuldenlast abbauen zu können. Jetzt hoffen Politik und Wirtschaft, dass die Richter in Karlsruhe die Einwände der Bundesregierung und der anderen Länder zurückweisen. „Die Berliner Wirtschaft erwartet, dass der Bund Berlin angesichts der extremen Haushaltsnotlage unter die Arme greift“, sagt Eric Schweitzer, Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer. „Das entbindet aber das Land nicht davon, Sparanstrengungen fortzusetzen und sich um höhere Einnahmen zu bemühen.“

„Die Deutschen aus allen Teilen unseres Landes haben wirklichen Grund stolz auf ihre wiedergewonnene Bundeshauptstadt zu sein“, sagt Dienstleistungs-Unternehmer Peter Dussmann. „Der größte Teil des Berliner Schuldenbergs rührt doch aus der Tatsache, dass eine zweigeteilte Stadt wieder maßvoll zusammengefügt werden musste.“ Als Zentrum von Kultur, Wissenschaft und Medien habe Berlin weltweit eine starke Anziehungskraft und als Hauptstadt auch kostspielige Repräsentationspflichten. Daran müsse sich das ganze Land beteiligen, fordert Dussmann, der den Hauptsitz seiner weltweit aktiven Dienstleistungsfirma nach der Wiedervereinigung von München an die Spree verlegt hat.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wird am heutigen Donnerstagvormittag erwartet. Das Urteil spricht der Zweite Senat unter dem Vorsitz von Winfried Hassemer. Berlin wird durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin vertreten. Für den Bund nimmt die Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium Barbara Hendricks (alle SPD) teil. Falls das Gericht der Klage stattgibt, wird es vermutlich jedoch keine Vorgaben zur Höhe der Zuwendungen machen, sondern Kriterien für die Vergabe festschreiben. FDP-Politiker hatten für den Fall einer Teilentschuldung Berlins harte Konsequenzen gefordert, sollte sich der Senat nicht an die damit verbundenen Sanierungsauflagen halten. Notfalls müsse ein „Sparkommissar“ das Ruder übernehmen.

Für Berlin-Chemie-Chef Reinhard Uppenkamp steht dem Land Berlin die Gewährung der Sanierungshilfe angesichts der extremen Haushaltsnotlage zu. „Berlin kommt seiner Pflicht nach einem konsequenten Konsolidierungskurs strikt nach und konnte somit seine Ausgaben entscheidend reduzieren. Dieser drastische Sparkurs muss auch nach dem Richterspruch aus Karlsruhe fortgesetzt werden“, sagt Uppenkamp. Einen externen Sparkommissar benötige das Land dafür nicht. Den Sparkurs garantiere „für die Zukunft nur der eigene Revisor, der Finanzsenator Thilo Sarrazin“.

Bei der Frage, was mit den erhofften Beihilfen geschehen soll, gehen die Meinungen auseinander. Grundsätzlich solle der Senat seinen Sparkurs fortsetzen, aber er solle dennoch mehr investieren, verlangt das Handwerk. „Die Investitionen in Berlin betragen nur ein Fünftel des Bundesdurchschnitts“, sagt Thomas Dohmen, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. „Wir brauchen die Bundeshilfen, damit wieder mehr in die Modernisierung und Instandsetzung von Verkehrswegen, Schulen und öffentlichen Gebäuden investiert werden kann.“

Auf mehr Investitionen der öffentlichen Hand setzt auch der Gewerkschaftsbund DGB. „Das hilft den kleinen und mittleren Betrieben und ist damit gut für die Beschäftigung“, sagt DGB-Landeschef Dieter Scholz. Bei Bewilligung der Finanzhilfen für die Hauptstadt hofft der Gewerkschaftsbund, dass keine weiteren Privatisierungen beschlossen werden. „Beim Verscherbeln von Tafelsilber ist die Schmerzgrenze überschritten.“

Die IHK und die Unternehmervereinigung UVB fordern dagegen weitere Privatisierungen: Der Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften, Krankenhäusern und anderen Landesunternehmen verbessere die Einnahmesituation des Landes und ermögliche Investitionen in Zukunftsbereiche. Das Handwerk sieht diese Forderung mit gemischten Gefühlen. Weitere Privatisierungen seien zwar eine Option, um den Schuldenberg schneller abzubauen, sagt Thomas Dohmen. „Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass Berliner Handwerksunternehmen bei privaten Auftraggebern nicht unbedingt besser dastehen als bei den Vergabeverfahren der öffentlichen Hand.“

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