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Berlin gibt Geodaten frei: Wie Entwickler Berliner Landkarten nutzen

Lärm, Luftverschmutzung, Verkehrsdichte, Radwege, Arbeitslose – in hunderten Karten haben die Berliner Verwaltungen visualisiert, wie sich die Stadt zusammensetzt. Nun kann man die Daten kostenlos nutzen. Ein Schatz für Programmierer.

Wo leben die meisten Senioren? Wie hoch ist der Ausländeranteil in meinem Bezirk? Gab es das Haus schon 1959? Und wenn ja, wie sah es aus der Luft aus? Bisher wussten das nur die Berliner Verwaltungen. Nun hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in einem von der Open-Data-Szene als „konsequent und radikal“ bewerteten Schritt sämtliches Kartenmaterial, sogenannte Geodaten, online gestellt – kostenlos. Für Entwickler von Computerprogrammen und Smartphone-Anwendungen ergeben sich daraus ungeahnte Möglichkeiten. Aber auch der Durchschnittsbürger kann beim Stöbern großen Spaß haben.

Mathias Schindler ist Projektmanager bei Wikimedia, der Gesellschaft, die auch die kostenlose online Enzyklopädie Wikipedia betreibt. Schindler hatte den Schritt, der mit einer neuen Nutzungsordnung am 1. Oktober 2013 in Kraft getreten ist, bereits erwartet. „Wir lagen den Verwaltungen schon lange damit in den Ohren“, erinnert er sich. Der Staat häufe für seine hoheitlichen Aufgaben Datensätze an, wie etwa in Grundbüchern, der Landesvermessung oder dem Wetterdienst, der zur Katastrophenwarnung meteorologische Dienste beauftragen müsse. „Der Staat schafft damit richtige Werke“, sagt Schindler. Werke, die sich viele private Firmen gar nicht leisten könnten. Und Werke, die urheberrechtlich geschützt sind. Bisher. Nach der neuen Verordnung ist die kommerzielle und nicht-kommerzielle Nutzung kostenlos. Alles darf vervielfältigt, ausgedruckt, präsentiert, bearbeitet, mit eigenen Daten zusammengeführt und zu selbständigen Datensätzen verbunden werden. „Ein Quantensprung“, meint Schindler.

Zunächst kann man sich die Daten aber nur ansehen. Auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann man recht einfach auf das Kartenmaterial zugreifen, es bisher aber nicht herunterladen.
Lärm, Luftverschmutzung, Verkehrsdichte, Radwege, Arbeitslose – in hunderten Karten haben die Berliner Verwaltungen sehr detailliert erfasst und visualisiert, wie sich die Stadt zusammensetzt. Dazu kommen hochauflösende Luftbilder und historische Stadtkarten. Die Nutzungsmöglichkeiten scheinen endlos. „Viele bestehende Dienste können mit den Geodaten deutlich verbessert werden“, meint Schindler. Kombiniert mit weiteren Datensätzen könnten innovative Programme daraus entstehen. Was genau, weiß man auch bei Wikimedia noch nicht. In einem ersten Schritt werde man sich die Daten von der Verwaltung auf eine Festplatte ziehen und selbst zum Download anbieten, solange dies auf den Seiten des Senats noch nicht möglich sei. Tatsächlich liegen einige interessante Karten noch gar nicht online vor, sie können bisher nur angefordert werden, was zwischen 2,50 und 50 Euro kosten kann.

Danach sind die Entwickler dran. Beteiligen kann sich jeder. Wikimedia will sogar Wettbewerbe ausschreiben, um Ideen zu fördern, die das Material nutzen.

Berlin entgehen durch die kostenlose Freigabe der Daten derweil rund eine Million Euro jährlich, wie aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Simon Weiß hervorgeht. In diese Einnahmen eingerechnet sind aber auch Gebühren, die andere Kommunen an Berlin zahlten und damit letztlich wieder der Steuerzahler.

Berlin hat mit Hamburg nun eines der umfangreichsten Open-Data-Portale Deutschlands. Während in Berlin die Gebühren für die Nutzung aber jederzeit durch eine einfache Änderung der Nutzungsbedingungen wieder erhoben werden könnten, ist die Freigabe der Daten in Hamburg in einer Klausel des Transparenzgesetzes festgeschrieben. Ähnliches fordert die Piraten-Fraktion auch für Berlin, wenngleich Weiß den Vorstoß der Verwaltung für Stadtentwicklung durchaus lobt. Auf anderen Gebieten gebe es aber noch Potenzial. Beispielsweise sind die Amtsblätter des Landes Berlin noch nicht online einsehbar und auch andere Verwaltungen halten ihre Zahlen bisher zurück.

Auch Schindler hat die Erfahrung gemacht, dass auf den Daten-Portalen von Regierungen die wirklich interessanten Fakten häufig nicht veröffentlicht würden. Berlin aber habe dieses Schema "erfolgreich durchbrochen". Zur Not gehe es also auch ohne gesetzliche Regelung.

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