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Mit Karacho in den Crash. Berliner Lokalpatrioten wie auch Anhänger actionreicher Thriller werden in "Don - The King is back" gleichermaßen gut bedient.

© Promo

Wie im Film: Berlinale: Großer Auftritt für die Stadt

Vor dem Berlinale-Palast beginnt das Schaulaufen. Ein Star ist immer dabei, obwohl er nur in einigen Streifen mitspielt: Berlin.

Bis zum Brandenburger Tor und nicht weiter! Durch die halbe Stadt geht die Autojagd, Zimmer-, Glinkastraße, wenig später sind wir ohne Rücksicht auf den Stadtplan am Messegelände, in der orange gekachelten Parkplatzhölle unterm ICC, rasen weiter in den Grunewald, parallel zur Avus, rein in den Wald und wieder raus. Nahe dem Ehrenmal an der Straße des 17. Juni bricht die wilde Hatz unerwartet ins Freie, und nun ist es nicht mehr weit, ist doch vor dem Tor ein Supercrash vorbereitet, bei dem die Autos fliegen lernen, viel „Rums!“, viel „Splitter!“, viel „Berst!“.

Es geht in „Don – The King is back“ auch anders, eben so, wie der Normalbesucher die Stadt erlebt. Populäre Kinofilme sind für den Tourismus schon immer prima gewesen. Größte Nähe zwischen Reise- und Filmbranche aber wird erzielt, wenn der Leinwandheld die Stadt seiner Taten im Touristenbus erobert, am besten auf dem Oberdeck unter freiem Himmel. Auch das macht Shah Rukh Khan in seinem aktuellen Berlinale-Film vor, wenngleich er dabei nicht die Stadt genießt, sondern neue Schliche ausheckt.

Unter den aktuellen Festivalfilmen mit Berlin-Bezug ist der Bollywood-Thriller der zweifellos beste Werbeträger für die Stadt. Die Tourismuswerber von Visit Berlin haben das Potenzial früh erkannt, mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg den Dreharbeiten den Weg geebnet, im Vorjahr fürs indische Fernsehen einen „Don 2“-Spot gedreht, einen Drehorte- Stadtplan herausgebracht, eine „Don 2“- Internetseite für Indien kreiert und auch den dortigen Filmstart medial begleitet: In 3000 Kinos lief vor jeder Aufführung ein Werbetrailer, in dem ein indischer Tourist vergnügt durch Berlin bummelt, samt Fahrt im Velotaxi. So begeistert ist der junge Mann, dass er seinen Pass verliert. Macht nichts, schon eilt ihm eine Berlinerin mit dem Fundstück hinterher: „Berlin – the place to be“.

Auch der Thriller präsentiert die Stadt von der Schokoladenseite, zumindest optisch, denn die Erlebnisse des Verbrechergenies Don wünscht sich der Zuschauer real wohl kaum. Doch dürfte die wilde Action die Werbekraft der Bilder eher noch erhöhen. Frank O. Gehrys DZ-Bank am Pariser Platz, Gendarmenmarkt, der (im Film ins Konzerthaus verlegte) Apollosaal der Staatsoper, Museumsinsel, Berliner Dom, East Side Gallery, Olympiastadion, Hotel de Rome, Schlosshotel Grunewald, Siegessäule – alles da, und der einzige Einwand, den Berlin-Werber erheben könnten, ist die Bevorzugung des Ostteils der Stadt bei der Drehortwahl.

Ganz anders „Gegen Morgen“, das Langfilmdebüt des Berliner Regisseurs Joachim Schoenfeld und das erste Projekt der von ihm, Drehbuchautor Martin Muser und Regisseur Justin Stauber gegründeten Produktionsfirma rot-film. Ein Film, der nur mit Eigenmitteln, ohne Förder- oder Sendermittel entstand und ein Berlin jenseits allen Glamours zeigt. Diesmal wird überwiegend der Westen gezeigt, aber nicht der Glanz von Kurfürstendamm oder Schloss Charlottenburg, sondern etwa der Parkplatz unter der Stadtautobahn am Kraftwerk Wilmersdorf. Es ist der Warteplatz zweier Polizisten, die einen Mörder überwachen sollen – ein öder Ort, erfüllt von Taubengeflatter und dem „klack-klack, klack-klack“ des über sie hinwegrollenden Fahrzeugstroms. In ihrer Trostlosigkeit unterscheiden sich Haupt- und Nebenstraßen nur minimal, sei es am Fehrbelliner Platz oder vor dem Philips-Hochhaus an der Martin-Luther-Straße, und auch das Sowjetische Ehrenmal in der Schönholzer Heide in Pankow samt davor auftretendem Männergesangverein ist kaum geeignet, Berlin als Reiseziel zu empfehlen.

Zwischen diesen beiden Extremen – werbewirksamer Glamour, deprimierende Tristesse – bewegt sich das Berlin-Bild, das der Besucher dieses Festivals von der Stadt erhält. Eher der dunklen Seite der Stadt ist „Glück“ zugeneigt, Doris Dörries Verfilmung einer Erzählung des Strafverteidigers Ferdinand von Schirach. Denn Glück wird einem in Berlin nicht geschenkt, es muss erkämpft werden, gerade von Außenseitern wie Irina (Alba Rohrwacher), traumatisiertes Bürgerkriegsopfer und Prostituierte, und dem Punk Kalle (Vinzenz Kiefer). Gesucht wird das Glück bei Dörrie vor allem in Charlottenburg, auf Bismarckstraße und Kaiserdamm, in der Wilmersdorfer und den umliegenden Straßen, die aber eher auf Nord-Neukölln getrimmt erscheinen. Mitunter pittoresk, mit viel Graffiti, doch nicht gerade eine Augenweide, da sticht sogar das einschüchternde Treppenhaus des Moabiter Kriminalgerichts positiv hervor.

In der lesbischen Underground-Szene im Berlin des 21. Jahrhunderts spielt die Komödie „Mommy is Coming“ von Cheryl Dunye, ohne das Brandenburger Tor kommt auch sie nicht aus, das zur leichteren Lokalisierbarkeit der Geschichte gleich auf dem Plakat prangt – in Rosa. Doch nicht alle Berlin-Filme sind in der Gegenwart angesiedelt. Der Dokumentarfilm „Unter Männern – Schwul in der DDR“ von Ringo Rösener und Markus Stein richtet den Blick zurück und auch über die Stadtgrenzen hinaus. Zitiert wird dabei der Film „Coming out“ von Heiner Carow, der am 9. November 1989 im „International“ in der Karl-Marx-Allee Premiere hatte und auf der Berlinale 1990 einen Silbernen Bären errang. Ebenfalls zurück blickt der Dokumentarfilm „This Ain’t California“ von Marten Persiel über die Szene der „Rollbrettfahrer“ in der DDR und besonders in Ost-Berlin, während Dagmar Schultz in ihrem Filmporträt „Audre Lorde – The Berlin Years 1984 to 1992“ die afroamerikanische vor 20 Jahren gestorbene Dichterin in ihrer Zeit als FU-Gastprofessorin vorstellt.

Aber Berlin im Berlinale-Film ist nicht allein „the place to be“, sondern ebenfalls ein Ort, den man verlässt. Etwa als ausreisewillige Ärztin in der DDR des Jahres 1980 in „Barbara“ von Christian Petzold, mit Nina Hoss als Titelheldin. Aus der Hauptstadt wird sie strafversetzt in die Provinz, ist aber auch dort anfangs nicht willkommen. In „Was bleibt“ (Hans- Christian Schmid) und „Formentera“ (Ann-Kristin Reyels) schließlich ist Berlin nur noch der Ort, aus dem man aufbricht in die Ferne – nach dem Motto: Reif für die Insel.

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