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Berlin: Wie in der Operette

Vor 100 Jahren wurde Willi Kollo geboren. Sein Sohn René erzählt Privates aus dem Leben des Musikerclans

„Was eine Frau im Frühling träumt, ist ach so dumm und ungereimt!“ Na ja, politisch korrekt war der Text nicht gerade, den Willi Kollo da 1922 für die Operette „Marietta“ seines Vaters Walter gedichtet hatte. Aber das Lied wurde - wie man heute sagen würde – ein Riesenhit. Und nur darauf kam es an im Berlin der Zwanziger. Vor allem, wenn man mal wieder kurz vorm Bankrott stand wie Walter Kollo. Weil er keinen eignen Textautor bezahlen konnte, fragte er bei seinem Sohn an – dabei war er kurz zuvor noch strikt dagegen gewesen, dass sich der Filius ebenfalls dem Tingeltangel verschreiben wollte. Dann brachten sie neun Operetten miteinander heraus. Bei der letzten Koproduktion, „Lieber reich – aber glücklich“ von 1934, fing sich Willi ein Auftrittsverbot bis Kriegsende ein, als er sang: „Wenn ich nur wüsste, was der Adolf mit uns vorhat, wenn er die Macht am Brandenburger Tor hat.“

Mit 17 hatte der heute vor 100 Jahren in Königsberg geborene Willi Kollo seinen ersten Revue-Auftrag ergattert und durfte gleich ein Chanson für Trude Hesterberg schreiben. Während einer der ersten Proben raunte der Direktor des „Kabaretts Unter den Linden“ seinem Regisseur Franz Arnold zu: „Da sitzt so ein Junge in der dritten Reihe, der hat so ’n feines Gesicht und ist sicher aus gutem Hause – ich möchte nicht, dass der die Schweinereien von der Hesterberg hört.“ „Ich kann schwer was dagegen tun“, entgegnete Arnold, „das ist der Verfasser!“

René Kollo, der weltberühmte Tenor, erzählt diese Anekdote von seinem Vater in seiner gerade im Henschel Verlag erschienenen Autobiographie „Die Kunst, das Leben und alles andere“. Überhaupt sind die Kapitel, in denen der Sänger die Annalen der Berliner Operettendynastie aufblättert, mit Abstand die amüsantesten Passagen des Buches. Viel erfährt man hier über das harte Entertainment-Business der Zwanzigerjahre.

Aber auch in die Privatsphäre der Familie gibt Kollo Einblick, erzählt von der Wohnung in der Potsdamer Straße, wo Claire Waldoff, Otto Reutter und Heinrich Zille ein und aus gingen, wo Walters Gassenhauer wie „Es war in Schöneberg im Monat Mai“ oder „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ entstanden, wo aber auch oft die Türen knallend ins Schloss fielen. Problematisch war die Ehe von Walter mit der Soubrette Mizzi Josetti gewesen, viel Streit gab es auch zwischen Willi und seiner nordfriesischen Frau Marielouise.

René Kollo erzählt mit großer Offenheit von den Verwerfungen innerhalb des Familienclans, und er verschweigt auch nicht die fatale Leidenschaft der Kollos, immer wieder Theater zu übernehmen, die dann in Windeseile Pleite gehen. Schließlich hat der weltweit gefragte Wagner-Interpret selber böse Erfahrungen gemacht, als er sich 1995 überreden ließ, die Intendanz des Metropol-Theaters am Bahnhof Friedrichstraße zu übernehmen. Verbittert berichtet Kollo, wie er erst aus dem Amt gedrängt und wie das Theater dann von Kultursenator Peter Radunski systematisch in den Konkurs getrieben wurde.

Zum versöhnlichen Ende seiner Autobiographie verrät der Opernstar dann übrigens, dass seine 16-jährige Tochter Magali seit Neuestem auch Sängerin werden will. Wie war das noch gleich mit den femininen Phantasien? „Was eine Frau im Frühling träumt, ist ach so dumm und ungereimt; doch so ein Traum erfüllt sich schnell – eventuell.“

Am morgigen Donnerstag singt René Kollos älteste Tochter Nathalie ab 19 Uhr im Opernpalais Unter den LInden Kollo-Melodien .

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