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Das kommunale Stadtwerk in Berlin spaltet die rot-schwarze Koalition im Senat.

© dpa

Streit um landeseigenes Stadtwerk in Berlin: Wie Minus- und Pluspol

Der Streit zwischen SPD und CDU im Senat um ein landeseigenes Stadtwerk schaukelt sich hoch. Für die Union ist das Projekt allerdings nicht ganz so wichtig.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Koalitionsfriede ist gestört. Im Streit um die Gründung eines landeseigenen Stadtwerks warf der SPD-Fraktionschef Raed Saleh dem Regierungspartner CDU vor, nicht verlässlich zu sein und wichtige Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. Die Rekommunalisierung der Stromversorgung in Berlin sei aber „ein Thema, das die Stadt bewegt“. Auch die Bedenken der Union, dass das geplante Stadtwerk nicht wirtschaftlich arbeiten werde, seien vorgeschoben.

SPD und CDU im Berliner Abgeordnetenhaus versuchen, den Konflikt um das Stadtwerk zu schlichten

Am Donnerstag wollen beide Parteien versuchen, den sich aufschaukelnden Konflikt zu schlichten. Auf Initiative der SPD wurde dafür der Koalitionsausschuss einberufen. Trotz seiner heftigen Kritik an den Christdemokraten versicherte Saleh, dass es „nicht um Schuldzuweisungen geht“. Aber schon im Dezember 2012 hätten sich beide Regierungsfraktionen auf den Fahrplan und gesetzliche Grundlagen für die Gründung des Stadtwerks geeinigt. Selbstverständlich habe die CDU das Recht, ihre Meinung zu ändern, „doch dann sollte sie das klar benennen“. Ansonsten müsse umgesetzt werden, was verabredet sei. Auch der SPD-Landeschef Jan Stöß erwartet, „dass die CDU zu ihrem Wort steht“.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider setzte noch eins drauf: „Die CDU will das Stadtwerk ordnungspolitisch nicht.“ Das von der Unionsfraktion seit Dienstag heftig kritisierte Konzept des Stadtentwicklungssenators Michael Müller (SPD) für ein Stadtwerk liege dem Koalitionspartner längst vor. „Ich habe es dem CDU-Fraktionsgeschäftsführer Heiko Melzer schon vor Wochen persönlich übergeben“, sagte Schneider. Finanziell gehe es nur um einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro jährlich. Die Forderung nach einem Businessplan sei deshalb absurd.

CDU beklagt, SPD-Vorschlag für Stadtwerk sei Symbolpolitik

CDU-Fraktionschef Florian Graf sah sich am Mittwoch nicht in der Lage, „diese ganze Aufregung nachzuvollziehen“. Die Union wolle nur keine Symbolpolitik, sondern ein wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig funktionierendes Stadtwerk, das mehr als 10 oder 20 Prozent des Stroms selbst produziere und die Energie nicht hauptsächlich an der Strombörse einkaufen müsse. Graf wies die Vorhaltungen der SPD zurück. „Wir spielen nicht auf Zeit, es gibt in der Sache aber noch Diskussionsbedarf.“ Das betreffe vor allem die Finanzierung des Stadtwerks und dessen Kooperation mit anderen Strom erzeugenden öffentlichen Unternehmen, um nicht nur als Stromhändler zu agieren, sondern Öko-Strom in nennenswertem Maß selbst zu produzieren. Genau dies sei zwischen SPD und CDU Ende 2012 verabredet worden. Graf gab aber zu: „Das Stadtwerk ist für uns kein Herzensanliegen.“

SPD legte Businessplan für landeseigene Stromversorgung vor

Diese Haltung wiederum ist in SPD-Senatskreisen nicht nachvollziehbar. Es gebe einen längst verabredeten Weg zur Gründung eines Stadtwerkes, hieß es. Im vergangenen Dezember hatten CDU und SPD ein Gesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung und zur Gründung eines Stadtwerkes eingebracht. Dieses Gesetz hätte die SPD längst verabschieden wollen. Doch die CDU forderte zunächst einen Business-Plan. Dieser sei dem Koalitionspartner auch vorgelegt worden. Unstrittig sei es auch, dass für eine Übergangsphase nach Stadtwerkegründung Strom dazugekauft werden müsse.

Im November entscheiden die Bürger über den "Berliner Energietisch"

Die federführende Stadtentwicklungsverwaltung schaute sich auch Städte wie München und Hamburg an. In der Hansestadt wurde 2009 ein Stadtwerk gegründet, das in der Anfangszeit mit jährlich acht Millionen Euro bezuschusst wurde. Diese Summe wollte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) in den Haushaltsberatungen im Senat auch durchsetzen, scheiterte jedoch an Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Um ein Signal zu setzen, dass dem Senat die Gründung eines Stadtwerkes jedoch im Kern wichtig ist, verständigte man sich auf eine Summe von jährlich 1,5 Millionen Euro im Doppelhaushalt. Möglicherweise verabschiedet das Parlament als Haushaltsgesetzgeber während der laufenden Beratungen eine andere Summe. Der sich zuspitzende Koalitionsstreit spielt sich vor dem Hintergrund eines Volksentscheids ab. Am 3. November können die Berliner über einen Gesetzentwurf des „Berliner Energietischs“ abstimmen. Die Initiative fordert die Gründung eines Stadtwerkes und die Übernahme des Stromnetzes durch eine landeseigene Netzgesellschaft.

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