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Kringelspiel auf Kufen. Im Wilmersdorfer Horst-Dohm-Stadion bietet der 400-Meter-Ring viel Platz zum Eislaufen. Selbst bei gutem Besuch drängeln sich die Schlittschuhläufer dort nicht allzu sehr. Bevor das Eis aber schön blank gemacht werden kann, muss das Team des Stadions zurzeit fast täglich tonnenweise Schnee von der Bahn schieben. Foto: Imago

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Berlin: Wie mit Flügeln an den Füßen

Nicht nur rodeln, auch der Spaß auf zwei Kufen fasziniert in diesen Wintertagen mehr Berliner denn je Die Eisstadien locken mit blanken, glitzernden Bahnen – ohne Rillen und Riefen

Das Eis blank wie Glas und glitzernd, drumherum die schneeweiße Stadtlandschaft – der diesjährige Superwinter beschert auch Schlittschuhläufern ein besonderes Vergnügen. „Das erlebt man nicht alle Jahre“, freut sich Eislauflehrer Dirk Beyer auf der Bahn im Stadion Lankwitz. Besonders vormittags, wenn noch nicht so viele Leute ihre Kreise ziehen, denkt er manchmal, „es ist hier wie im Bilderbuch“: Leichter Flockenwirbel, große Schneehaufen hinter den Banden, kalt wie in der Tiefkühltruhe und dazu das Gefühl, über die spiegelnde Fläche zu schweben. Winterstimmung und Eislaufen – diese Kombination fasziniert offenbar auch viele andere Berliner. Seit Schnee und Frost über die Stadt gekommen sind, steigen die Besucherzahlen in nahezu allen Stadien und Bahnen.

Dirk Beyer unterrichtet den Spaß auf zwei Kufen für Berlins „Ungewöhnliche Eislaufschule“ in allen vier großen Stadien. Bis Januar sind fast alle Gruppen ausgebucht. „Der Andrang ist groß“, sagt er. Eislaufen sei in den vergangenen Jahren populär geworden. Ein Trend, den die Betreiber der großen Bahnen in Neukölln, Lankwitz, Wedding, Wilmersdorf und Hohenschönhausen bestätigen.

Damit ihre Besucher gut ins Gleiten kommen, müssen die Mitarbeiter der Eisstadien jetzt jede Menge Überstunden leisten. Der Winter hält sie in Atem. Viel früher als sonst rücken sie nach jedem nächtlichen Flockenwirbel an, schieben mit Räumtreckern die frisch gefallene kalte Pracht von den 1800 Quadratmeter großen Bahnen. Gewaltige weiße Berge türmen sie dabei neben den Eislaufflächen auf. Erst danach können sie mit der Eismaschine loslegen und die Bahnen glätten. Michael Grylewicz, Chef des Erika-Heß-Eisstadions in Wedding, erledigt das mit Ehrgeiz. „So richtig schön spiegelglatt muss das Eis sein“, sagt er. „Ohne Rillen und Riefen.“ Kein zugefrorener See könne mit dieser Perfektion konkurrieren. Meist ist das Eis dort verschneit und holprig und ohnehin noch zu dünn, um sich daraufzuwagen.

Doch wer „die kalte Kunst auf der Schärfe des Stahls“ genießen will, wie der eislaufende Poet Friedrich Gottlieb Klopstock im 18. Jahrhundert einst schwärmte, hat auch auf künstlichem Eis vielerlei Möglichkeiten. In den fünf großen Eisstadien gibt’s am meisten Platz. Hier kann man am besten ungebremst loslegen, „mit Flügeln an den Füßen“, um bei Klopstock zu bleiben – selbst bei Andrang. In Wedding ist neben der Außenbahn auch die Halle zu bestimmten Zeiten für den öffentlichen Lauf geöffnet. Schlittschuhe lassen sich überall ausleihen. Spiel- und Spaßangebote sind in den Stadien allerdings rar, nur in Lankwitz ist der Betreiber hier einfallsreicher. Discos, Kinderbelustigungen auf dem kalten Parkett, Bar- und Budenzauber gehören aber fest zum Programm der mobilen Eisbahnen am Müggelsee, am Potsdamer Platz, in Spandau und im neuen futuristischen nhow-Hotel am Osthafen.

Die Saison der großen Stadien dauert bis Februar/Mitte März 2011. So lange werden sich dort „bunte Gesellschaften mit rosigen Wangen und roten Nasen“ zusammenfinden. Das Bild ist 200 Jahre alt, aber noch aktuell. Ein Zeitgenosse beschrieb so 1811 die Besucher des ersten offiziellen Berliner Eislaufplatzes „An den Zelten“, in Höhe des heutigen „Hauses der Kulturen der Welt“. Seither hat der Schlittschuhspaß in Berlin Tradition. Zur Saison 2011/12 werden die Berliner sogar noch ein weiteres Eisstadion hinzugewinnen. Bis dahin soll das neue Stadion an der Glockenturmstraße in Westend fertig sein.

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