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Berlin: Wie viel Trödel darf es sein?

Weil es immer mehr Flohmärkte gibt, sehen manche Bezirke genauer hin: Neuwaren sind nicht erlaubt

Als Heidi Borgwardt 1997 ihren ersten Trödelmarkt in Lichterfelde eröffnete, war sie mit dem Flohmarkt am Hermann-Ehlers-Platz in Steglitz alleine. Heute liegen allein im Umkreis von zehn Autominuten um ihren Markt in der Attilastraße in Tempelhof neun andere Flohmärkte. Was die Marktbetreiberin beobachtet, ist kein Einzelfall. In Berlin eröffnen immer mehr Floh- und Trödelmärkte. Im April 2004 hat der bundesweite Marktbetreiber Melan gleich vier Betriebe auf Metro-Parkplätzen eröffnet, von denen derzeit drei in Betrieb sind. Diesen Sommer sind auf Ikea-Parkplätzen zwei weitere Märkte von der Veranstaltungsfirma Nareyka dazugekommen.

Dieser Boom dürfte anhalten. Denn gerade hat der Senat auf Vorlage von Innensenator Ehrhart Körting eine Neuverordnung über den Schutz der Sonn- und Feiertage erlassen, die den Betrieb von Flohmärkten an Feiertagen generell erlaubt. „Diese Angebote haben eine wichtige integrative und soziale Funktion“, sagt Claus Guggenberger, Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres. Ausgenommen von dieser Regelung seien kommerzielle Großmärkte, die Neuwaren verkauften. „Der Verkauf von Neuwaren wird nur dann toleriert, wenn zum Eigenverbrauch gekaufte Gegenstände neuwertig veräußert werden.“ Doch das lasse sich nur im Einzelfall prüfen.

Laut Statistik haben 2004 elf neue Flohmärkte eröffnet, insgesamt liegt die Zahl der erfassten Märkte damit bei 43. Marktbetreiber schätzen die Zahl der Märkte allerdings insgesamt auf bis zu 80, weil viele Veranstaltungen auf Privatgelände stattfinden. Wo das der Fall ist, gibt es mancherorts Konflikte – so stört sich das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg am Trödelmarkt auf dem Ikea-Parkplatz an der Alboinstraße. Der Markt könne die Läden in den Einkaufsstraßen des Bezirks gefährden, so das Argument.

Wollen die Betreiber öffentliches Straßenland nutzen, müssen sie bei den Bezirken eine Genehmigung für den Flohmarkt beantragen. Doch das handhaben die Verwaltungen sehr unterschiedlich. Lorenz Postler (SPD), Wirtschaftsstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, sieht die Flohmärkte als Chance für Existenzgründer. „Bei der sozialen Lage gibt es bei vielen Menschen das dringende Bedürfnis, nicht von Transferleistungen abhängig zu sein“, sagt er. „Natürlich ist diese Tätigkeit eher ein Nebenjob, aber es bedeutet letztendlich Arbeit.“ Vor zwei Jahren hat der Bezirk sogar versucht, einen Ableger des Marktes der Straße des 17. Juni auf der Karl-Marx-Allee anzusiedeln. Gerade ist ein neuer Markt in der Falckensteinstraße in Kreuzberg in Verhandlung.

In Reinickendorf ist man strenger. Baustadtrat Michael Wegner (CDU) lässt derzeit prüfen, wie künftige Anmeldungen zu verhindern sind. „Wir haben seit Jahren Anwohnerbeschwerden, weil sich die Menschen durch den Lärm bei Auf- und Abbau, den Parksuchverkehr und die Vermüllung belästigt fühlen.“ Allerdings sei aufgrund der Gewerbefreiheit und den zu kurzfristigen Lärmbelästigungen ein Verbot schwierig. Auf vielen der neuen Märkte werde zudem Neuware dubioser Herkunft verkauft, so der Stadtrat.

Bei den etablierten Marktbetreibern kommt diese kritische Sicht besser an als eine laxe Genehmigungs-Praxis: „Die Stadt sollte ein bisschen darauf halten, was sie wo zulässt“, sagt Michael Wewerka, Veranstalter des Marktes auf der Straße des 17. Juni. „Wenn zu viele Märkte stattfinden, gehen die Menschen nicht mehr hin.“ Konkurrenz für seinen Markt fürchtet er allerdings nicht. „Wir haben weder einen Händler- noch einen Besucherverlust.“

Regina Pröhm, Marktveranstalterin von Oldthing, warnt vor dem Trugbild des schnell gemachten Geldes als Betreiber. „Wer seinen Markt vernünftig führt, hat hohe Fixkosten, zum Beispiel für Ordner, Reservierungsservice und Versorgung der Händler vor Ort“, sagt sie. Und Heidi Borgwardt wundert sich über das Sortiment mancher Märkte. „Da werden Obst, Gemüse, Brot und Blumen verkauft“ – da ist das mit der Vorgabe, nur Gebrauchtwaren anzubieten, so eine Sache.

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