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Berlin: Wieder unter Strom

In das frühere E-Werk in Mitte zieht ein bekanntes Software-Unternehmen. Ein Besuch auf der Baustelle

Normalerweise fängt jeder Projektentwickler klein an. Aber was ist auf der Baustelle des ehemaligen E-Werks schon normal? Die Geschichte des denkmalgeschützten Baus ist es nicht, schließlich stammen seine Grundsteine aus der Gründerzeit, und damit zählt er zu den ältesten erhaltenen Kraftwerksbauten Europas. Die Höhe der Investition – rund 46 Millionen Euro – ist es für Neulinge im Baugeschäft auch nicht. Und schon gar nicht ist es der Aufwand, mit dem schmückende Details erhalten werden sollen. So häufen Bauarbeiter derzeit weiß lasierte Ziegelsteine auf, die aus einem Teil des Baus herausgebrochen wurden, um sie zu säubern und wieder einzeln in die Fassaden einzusetzen. Ein Investor, der vor allem auf seine Rendite schaut, würde sich diese Arbeit nicht machen. Wohl aber Holger und Rolf Friedrich. Für die beiden, Vater und Sohn, ist das E-Werk das erste Projekt.

„Mutig“ finden die Beamten vom Denkmalschutz- und vom Bauamt des Bezirks Mitte das Projekt der beiden. Rolf Friedrich, 63, ist Architekt. Holger Friedrich, 37, hat das Geschäft mit dem alten Abspannwerk eingefädelt. Von den 14000 Quadratmetern Nutzfläche hat er 10000 an die Firma SAP-SI, eine Tochter des Software-Riesen SAP, vermietet. Diese komfortable Situation erlaubt den beiden, mit den noch nicht vermieteten Teilen des Abspannwerks zu experimentieren. Auf das Dach soll eine gläserne Haube kommen, eine „Chill-Out-Lounge“, wie es Friedrich junior nennt. Und für die beiden Hallen, die zum Komplex dazugehören, gibt es ebenfalls Gedankenspiele. Es wäre kein Wunder, wenn aus dem alten E-Werk wieder etwas würde, das mit elektronischer Musik zu tun hat.

Inzwischen haben die Bauarbeiter alles abgerissen, was nicht denkmalgeschützt ist oder noch gebraucht wird. Jetzt beginnt der Ausbau. Gerade werden die Betontürme für zwei Aufzugsschächte eingeschalt. Aber sonst ist noch nicht viel zu sehen, nur zu erahnen, wie er einmal aussehen wird, dieser neue Firmensitz für die Tochter von SAP. Die alte Warte, schmuck halbrund geschwungen, die elegant zwei Gebäudeflügel miteinander verbindet, wird das Empfangsgebäude. Ganz oben, wo noch die teilweise ausgeweideten Schaltkästen stehen, soll fast alles erhalten bleiben, inklusive halb heraushängender Kabel und Relais. „Da pusten wir nur den Dreck raus“, erklärt Friedrich junior, „dann kommt Plexiglas über die Kästen, und schon haben wir einen Konferenzraum.“

Ungewöhnlich ist auch der Blick in die zwei Fabrikhallen. Vor allem die kleine, in der sich die Techno-Disko „E-Werk“ befand, ist ein Musterbeispiel preußischer Industriearchitektur. Die Decke besteht aus weiß-lasierten Ziegeln. Im Boden liegen noch Eisenbahnschienen. Mit dieser Halle hatte der Bau des Abspannwerks Ende des 19. Jahrhunderts begonnen. Die meisten Mauern sind aber erst 80 Jahre alt. Alles wollen die Friedrichs erhalten, vom eisernen Treppengeländer, das nicht mehr heutigen Sicherheitsstandards entspricht und deshalb nachgebessert werden muss, bis zu den Graffiti aus der Techno-Ära.

Drei Mal glaubten die beiden Friedrichs beim bisherigen Bauverlauf: Jetzt kippt der Zeitplan. Beim ersten Mal wollte ihnen das Bundesfinanzministerium (mit einem Dienstsitz direkter Nachbar) verbieten, Fenster einzubauen. Der Senat konnte vermitteln, jetzt dürfen doch Fenster rein. Dann mussten drei Trafos für die U-Bahn, die mit ihren jeweils elf Tonnen die Hofeinfahrt blockierten, abgebaut und im Boden versenkt werden. „Ein riesiger Aufwand“, sagt Friedrich senior, „den wir für die BVG vorfinanziert haben.“ Und schließlich war da noch der Turmfalke, der oben nistete. „Der verschwand irgendwann“, sagt Friedrich junior – für die Bauherren war das ein Glück. Mit dem geschützten Turmfalken hätte es den Umbau nämlich nicht gegeben.

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