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Berlin: Wieder was gelernt

Wenn ein Star-Musiker einen Vortrag hält: Paul van Dyk referierte an der Humboldt-Uni

Es ist wohl alles nur eine Frage der ganz persönlichen Wertigkeit. Und deshalb war wohl auch der Montag für die Häkelschal behangene Studentin ein Uni-Tag wie jeder andere. Einzig der ungewöhnlich starke Andrang um 20 Uhr vor dem Seminarsaal der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität verwirrte sie ein wenig. Deshalb wandte sie sich verunsichert an einen Kommilitonen: Wieso das denn heute so voll sei. „Ich glaub’, dieser DJ“, so kam es zurück, „der hier gleich zu Gast sein wird, ist relativ bekannt“.

Paul van Dyk heiße der relativ bekannte Diskjockey. Der Anwärter auf den Grammy-Musikpreis war als Gastredner zur Vorlesungsreihe „Ökonomische Perspektiven audiovisueller Medien – Tonträger" geladen. Außerhalb der DJ-Kanzel, ohne Plattenkisten und Kopfhörer, wirkte van Dyk beim Betreten des Instituts viel kleiner, schmächtiger, unauffälliger. Man musste schon zweimal hingucken, um ihn überhaupt auszumachen. Mit gesenktem Blick drängelte sich der 33-Jährige durch die Massen. Keine Fans, die ehrfürchtig zur Seite wichen. Keine Anhänger, die ihn um Autogramme baten.

Umstellen mussten sich allerdings auch die Anwesenden. War die Vorlesung bislang als Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde konzipiert, so wurde schnell klar: Ein Vortrag, gar ein wissenschaftlicher, sollte es nicht werden. Deshalb hatte er sich bei Gastgeber Professor Klaus Goldhammer vorsichtshalber eine entspannte Gesprächsatmosphäre erbeten. Dies wiederum stellte offensichtlich den Professor vor Probleme. Jedenfalls hangelte er sich am Dykschen Werdegang entlang von einer gefälligen Frage zur nächsten. Sein Gast antwortete – geübt in Interviews – ganz routiniert.

Eine sichere Sache, dachte sich van Dyk wohl schon insgeheim. Bis schließlich einer der Zuhörer den Star fragte, wie ehrlich es denn beispielsweise sei, den Verkauf von Klingeltönen für Handys öffentlich zu verteufeln, dann aber doch im Werbespot eines Handyherstellers mitzuwirken. Die Firma hatte den Verkauf ihres Produktes immerhin mit einem speziellen Paul-van-Dyk-Bimmeln zu forcieren versucht. Kurzes nervöses Genestel am weißen Hemd, ein Schluck aus der Mineralwasserflasche. Doch dann hatte sich der Star-DJ wieder gefangen, und sprach über die Ästhetik des Videos und den tollen Regisseur und hatte am Ende die Lacher doch wieder auf seiner Seite: Der Werbespot sei bei weitem besser gewesen als viele seiner eigenen Musikvideos. Das war immerhin die einzige Aussage an diesem Abend, die der Wahlberliner in verkaufsfördernden Musiksendungen auf MTV und Viva nie machen würde.

Was die Studenten nach knapp zwei Stunden aus der Veranstaltung mitnehmen konnten? Die Erkenntnis, dass das Künstlerdasein mitunter auch recht unglamourös ist. Dass man in der Krise der Musikindustrie den Verkauf von 5000 Platten wie bei seinem Nachwuchs-Act „Nu NRG“ mittlerweile schon als Erfolg bezeichnen kann. Und: Dass man dafür sogar die eine oder andere Einladung zu Gesprächsrunden vor hundert Studenten in Kauf nehmen muss.

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