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WILLKOMMEN IN DER EVOLUTION Das Naturkundemuseum wird heute wiedereröffnet: Einzug in eine Teilruine

Es bleibt viel zu tun im Naturkundemuseum, der komplette Wiederaufbau des Gebäudes kostet weitere 82 Millionen Euro – Geld, das bisher noch fehlt

Heute werden die renovierten Ausstellungsräume des Naturkundemuseums mit einer Dinosaurierschau wiedereröffnet. Doch der Wiederaufbau des kriegsbeschädigten Gebäudekomplexes ist längst noch nicht abgeschlossen: Im Jahr 2009 soll der Ostflügel des Naturkundemuseums aus den Ruinen auferstehen. Beide Eröffnungen bieten Anlass zum Feiern. Aber über die Festtage hinaus sind damit die Probleme des Naturkundemuseums keineswegs gelöst. Auch nach 2009 bleibt das Naturkundemuseum, das im Jahr 1945 von Brandbomben beschädigt wurde, eine Teilruine.

Ein Blick auf die Gesamtkosten für eine wirkliche Sanierung des Naturkundemuseums zeigt das Problem. 128 Millionen Euro werden für die Wiederherstellung benötigt. Nach der Neugestaltung der Ausstellungsräume und dem Aufbau des Ostflügels bleiben 82 Millionen Euro übrig – das ist eine Summe, von der niemand weiß, wie sie aufzubringen ist.

Leider gehört das Naturkundemuseum, das eines der fünf wichtigsten Naturkundemuseen der Welt ist, nicht zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sondern ist ein Teil der Humboldt-Universität. Solange das Naturkundemuseum als Hochschuleinrichtung geführt wird, müsste das Land Berlin für die Sanierung des Museums die Hälfte der erforderlichen 82 Millionen Euro aufbringen. Die anderen 41 Millionen Euro steuert dann der Bund bei. Seit einigen Jahren finanziert das Land Berlin jedoch Hochschulbauten nicht mehr, sondern verlangt von den Universitäten, dass sie aus Grundstücks- und Gebäudeverkäufen den Landesanteil finanzieren. Das hat die Humboldt-Universität getan, um mit 15 Millionen Euro ihren Beitrag zum Aufbau des Ostflügels des Naturkundemuseums zu leisten. Ein weiterer Kraftakt dieser Art geht jedoch über die Möglichkeiten der Humboldt-Universität hinaus.

Damit ruhen alle Hoffnungen darauf, dass das Naturkundemuseum in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen wird. In der Leibniz-Gemeinschaft haben neben Forschungsinstituten auch Forschungsmuseen von nationalem und internationalem Rang ihren Platz. Aber unter den großen deutschen Forschungsorganisationen ist die Leibniz-Gemeinschaft die schwächste. Wiederholt wurde über ihre Auflösung diskutiert, und während die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder die Helmholtz-Gemeinschaft mit regelmäßigen Etaterhöhungen rechnen können, ist das für die Leibniz-Gemeinschaft immer wieder eine Zitterpartie. Daher dürfen der Leibniz-Gemeinschaft nicht viel mehr als jetzt 84 Institute und Museen angehören. Mit anderen Worten: Die Leibniz-Gemeinschaft darf nicht unbegrenzt wachsen. Wenn ein neues Institut in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen werden will, muss ein anderes Institut weichen, dessen Leistungen einer Evaluation nicht standgehalten haben.

Bisher hatte das Berliner Naturkundemuseum in der Leibniz-Gemeinschaft schlechte Karten. Einmal zog Berlin die Finanzierung des Synchrotronspeicherrings Bessy II dem Naturkundemuseum vor. In einem anderen Jahr hatte sich Bayern mit der Sanierung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg verschätzt und für das Naturkundemuseum blieb nichts mehr übrig. Zuletzt hat das Land Berlin dem Rheumaforschungszentrum vor dem Naturkundemuseum den Vorrang gegeben. Das hatte allein finanzielle Gründe: Für das Rheumaforschungszentrum wurden fünf Millionen Euro benötigt, als Einstieg in die Sanierung des Naturkundemuseums jedoch 13 Millionen Euro.

Die Entscheidung über die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft trifft die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) in Bonn. Recherchen bei der BLK ergeben folgenden Sachstand: Im Jahr 2009 könnte das Rheumaforschungszentrum in die Blaue Liste der Leibniz-Gemeinschaft übernommen werden, sofern Bessy II von der Leibniz-Gemeinschaft in die Helmholtz-Gemeinschaft überführt wird. Alles hängt davon ab, welche Folgerungen der Bund aus diesem Finanztransfer ziehen wird. Für das Naturkundemuseum in Berlin besteht frühestens vom Jahr 2010 an eine Chance. Erschwert wird die Entscheidung über das Naturkundemuseum jedoch dadurch, dass Sachsen mit seinen Museen in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen werden möchte. Sachsen hat sich folgenden Trick einfallen lassen: Es will seine Museen dem Senckenberg-Museum im Frankfurt am Main angliedern. Denn das Senckenberg-Museum gehört schon seit Jahren zur Leibniz-Gemeinschaft. Solche Tricks hat Berlin nicht auf der Pfanne.

Uwe Schlicht

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