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Kolumne "Hund und Herr": Wilmer und die Lehre vom rohen Fleisch

Helmut Schümann hat keinen Pubertisten mehr, dafür einen Hund. An dieser Stelle schreibt er, Schümann, nicht der Hund, wöchentlich über sein Leben als Welpenassistent. Diesmal schreibt er über die veganen Vorlieben von Wilmer.

Wilmer ernährt sich nicht gerade vegan. Ab und an kochen Dr. Frauchen und der Welpenassistent für Wilmer einen Gemüsebrei und mixen ihn in homöopathischen Dosen unter echtes Fressen. Wilmer schlabbert dann auch ein wenig aus seinem Langohrnapf, schaut die beiden Erziehungsberechtigten aber anschließend an, als wolle er mitteilen: „Wenn Anubis, der Hundegott, gewollt hätte, dass ich Grünzeug fresse, hätte er mich zu einem Kaninchen gemacht und nicht zu einem wolfsähnlichen Wesen. Ach was, ähnlich.“

Ansonsten barft Wilmer. Barfen ist die reine Lehre vom rohen Fleisch und die von der Wolfsnahrung. An Snacks für zwischendurch knabbert er an toten Mäusen herum, Erdklumpen, Baumstämmen, na ja, Ästlein, sagt der Assistent, Eierschalen und, wenn er unbeobachtet ist und der Assistent kein spießiges „Nein!“ brüllt, auch schon mal an der Hinterlassenschaft anderer Hunde. Kürzlich aber ist Wilmer in die Falle getappt. Dem Assistenten war beim Schnibbeln vorm Kochen ein kleines Stück Chilischote auf den Boden gefallen. Wilmer tat, was ein Wilmer tun muss, schnupperte, nahm die Chilischote ins Maul. Und erstarrte. Wie vom Chili, also Donner gerührt. Stocksteif, als habe er einen Knopf im Ohr, eine Minute lang. Und starrte den Assistenten an. „Bist! du! wahnsinnig!“, sagten seine Augen. „Was willst du“, sagte der Assistent, „war doch kein Grünzeug.“ Wilmer meidet jetzt auch Rotzeug, hat aber den Angriff des Roten Drachens gut überlebt. Dafür hat der Assistent leiden müssen. Als er am anderen Tag mit Wilmer auf der Wiese am Lietzensee war und sich den Vortrag eines älteren Hundebesitzers über das korrekte Fressen anhören musste. Es gibt unter Berlins Hundehaltern auch Fundamentalisten. Vegane Fundamentalisten. Um es abzukürzen: Der Welpenassistent macht alles falsch. Dann kam Wilmer. Aus seinem Maul hing noch ein Rest Mauseschwanz. „Da, da, da“, stammelte der Veganer, „wider die Natur.“







Helmut Schümann

schreibt an dieser Stelle immer sonnabends über sein

Leben in Berlin mit seinem Hund Wilmer.

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