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Wolfgang Wieland war 2011/2 Justizsenator in Berlin und sitzt seit 2005 für Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag

© Thilo Rückeis

Interview: „Wir brauchen kein Aufmuskeln, sondern Sacharbeit“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und einstige Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland über seine Erwartungen an eine mögliche rot-grüne Koalition.

Tagesspiegel: Herr Wieland, was sind Ihre Erwartung an die Sondierungsrunde am Dienstag und weitere Gespräche Ihrer Berliner Parteispitze mit der SPD?

Wolfgang Wieland: Ich erwarte, dass man zu einer Konkretisierung des gefundenen Kompromisses kommt und das dann zu Verhandlungen reicht. Bei diesen Sondierungen muss jetzt ein tragfähigeres Ergebnis herauskommen. Wir brauchen kein weiteres Aufmuskeln, sondern den Einstieg in die Sacharbeit.

Die SPD sagt, eine Konkretisierung sei nur zu erreichen, wenn die Grünen sich weiter in Richtung SPD bewegen - waren Sie zu unbeweglich?

Ich denke nicht. Wir haben uns in absolut eindeutiger Art und Weise in der Sache der A 100 festgelegt. Davon abzurücken und die A 100 mit grüner Hilfe zu bauen, wäre ein Einbruch in unserer Glaubwürdigkeit. Die SPD muss verstehen, dass wir das nicht machen können und nicht machen wollen.

So eindeutig war die Einigung mit der SPD aber nicht – es gibt ja zwei sehr widersprüchliche Interpretationen zwischen SPD und Grünen.

Was bisher bei der Sondierung als Kompromiss herauskam, lief auf zwei mögliche Interpretationen zu. Unsere: Es wird versucht, das Geld für die A 100 umzuwidmen, und wenn dies nicht gelingt, sehen wir weiter. Die der SPD: Es wird versucht, umzuwidmen, und wenn dies nicht gelingt, wird gebaut. Als Anwalt würde ich sagen: Ein solcher Vergleich ist nicht vollstreckbar, weil er nicht eindeutig genug ist. Das heißt, man wird eindeutiger werden müssen. Ich kann mir vorstellen, dass man zum Beispiel in der Richtung konkretisiert, dass man die Umwidmung bei dieser und bei der nächsten Bundesregierung versuchen wird. Dass man also eine Zeitschiene vereinbart und deutliche Hoffnungen auf eine mögliche nächste rot-grüne Bundesregierung setzt.

Sie waren selbst einst kurz Mitglied einer rot-grünen Landesregierung. Was wären Ihre Haupterwartungen an fünf Jahre Rot-Grün?

Wir würden gerne unsere These in Berlin beweisen, dass die Metropole der Zukunft grün ist. Unter anderem, indem im Sektor Green Economy viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Welche Bedeutung für die aktuellen Schwierigkeiten in den Gesprächen mit der SPD haben starke Persönlichkeiten auf beiden Seiten, Wowereit und Ratzmann?

Ich dementiere nicht, dass das starke Persönlichkeiten sind, aber das sollte nicht maßgeblich sein. Ich habe schon auf dem Landesparteitag gesagt: Der Wahlkampf ist vorbei, die Wahlkampfrhetorik sollte auch vorbei sein. Jetzt geht es um die sehr große Frage, ob nach zehn Jahren die Stadt endlich rot-grün regiert wird, wie es – noch – die Bevölkerung will und wie es eine riesige Chance wäre.

Wieweit sind innergrüne Flügelkämpfe ein Problem, vor allem das zunehmend fordernde Auftreten des linken Grünen-Flügels, der schon Ansprüche anmeldet auf einen Senatorenposten etc. – was der SPD Angst macht, ob die Koalition stabil genug wäre? Sind die Grünen zu wenig geschlossen für ein sicheres Bündnis mit der SPD?

Also erstens hat niemand von uns öffentlich irgendeinen Poste angemeldet. Wir wollen der SPD nicht schon wieder den Vorwand geben, die Grünen seien machthungrig, deswegen könne man mit ihnen nicht koalieren. Was die Existenz zweier Flügel betrifft, haben wir leider mit jahrzehntelanger Verzögerung das nachgemacht, was die SPD uns vorgemacht hat, nämlich die Zersplitterung in unterschiedliche Kreise. Da sollten die Sozialdemokraten lieber vor ihrer eigenen Haustür kehren. Unsere organisierten Linken aber sind diejenigen, die Rot-Grün am meisten wollen, weil sie Angst haben, dass ansonsten wieder eine Schwarz-Grün-Option aufgemacht wird. Wenn jemand bei uns ein erfolgreiches rot-grünes Projekt will, dann sind es die Linken. Wenn es ein überzeugendes Programm gibt, wird der linke Flügel es mittragen.

Das Gespräch führte Lars von Törne

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