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Berlin: „Wir fangen ja gerade erst an“

Die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue über Wowereits Fehlstart, die Folgen aus Karlsruhe, Serientäter und andere Herausforderungen für den neuen Senat

Um Ihre Personalie wurde lange ein Geheimnis gemacht. Wann haben Sie den ersten Anruf von Wowereit bekommen?

Darüber haben wir Stillschweigen verabredet. Es ist im Interesse aller, wenn man den Findungsvorgang nicht nach außen trägt.

Waren Sie selbst denn sehr erstaunt, als der Anruf kam?

Ja. Eigentlich schon.

Brauchten Sie Bedenkzeit?

Vor allem musste ich mit meiner Familie darüber reden. Was mich anbetrifft, war das ein überraschendes, interessantes und sehr ehrenvolles Angebot. Deshalb musste ich nicht lange überlegen.

Hat in der Geheimhaltungsphase mal jemand richtig getippt? Und Sie gefragt, ob das Telefon schon geklingelt hat?

Nein, niemand. Und das, obwohl der Justiz-Staatssekretär Flügge und ich uns schon sehr lange kennen und immer gut zusammengearbeitet haben. Trotzdem ist keiner darauf gekommen.

Ihr erster Arbeitstag war ja recht ereignisreich …

… das kann man sagen (lacht).

Wie war das, als der Regierende Bürgermeister beim ersten Wahlgang durchfiel? Haben Sie es schon bereut, Ihren festen Arbeitsplatz in Brandenburg aufgegeben zu haben?

Naja, ich stand ja am vergangenen Donnerstag noch im Landesdienst von Brandenburg und hätte deswegen auch zurückgehen können. Aber im Ernst: Wenn man sich für so eine Aufgabe entschieden hat und sich darauf freut, sieht man das nicht ganz so gelassen.

War es nicht ein eigenartiger Zufall, dass an diesem Tag Ihr Ehemann, also der Parlamentsdirektor von der Aue, an den Wirrnissen um die Auszählung beteiligt war?

Das ist kein Zufall, denn schließlich ist er ja regelmäßig beteiligt am vernünftigen Ablauf im Abgeordnetenhaus. Für mich war das etwas ganz Alltägliches, weil wir ja lange Jahre im Abgeordnetenhaus zusammengearbeitet haben. Aus dieser Zeit weiß ich, dass es in Plenarsitzungen eben auch zu Pannen kommen kann.

Ihre Vorgängerin musste gehen, weil sie der Freiheitsdrang ihrer Häftlinge immer wieder in Erklärungsnot brachte. Hatte Frau Schubert einfach Pech? Oder war sie auch selbst schuld?

Das ist Ihre Interpretation, dass Frau Schubert wegen der entflohenen Häftlinge nicht mehr Senatorin ist. Grundsätzlich kann das jedem Justizsenator passieren, dass ein Häftling entweicht, ohne dass ihn eine Schuld dafür trifft. Wichtig ist nur, dass solche Vorgänge aufgeklärt werden und man darauf entsprechend reagiert, damit diese eine Fluchtmöglichkeit für die Zukunft verbaut wird.

Also hatte Frau Schubert doch Pech?

Dazu kann ich nichts sagen.

Gibt es denn etwas, was Sie im Vollzug anders machen wollen?

Nein, das sehe ich nicht. Es geht weiter darum, die Defizite zügig abzubauen: Die Häftlingszahl steigt, und unsere Gefängnisse sind überbelegt. Das heißt, dass vorerst in kleinen Schritten weiter gebaut und aus dem Haushalt auch das Personal dafür finanziert wird.

Kriminelle Kinder, Serienstraftäter nicht deutscher Herkunft, Jugendgewalt – diese Themen zählen in Berlin zum Dauerbrenner. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, auf das alle zuständigen Stellen reagieren müssen. Zum Teil ist das ja auch schon passiert: Es gibt beispielsweise eine deutlich verstärkte Kooperation zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Es muss eine noch deutlich bessere Koordination mit den Schulen geben, mit den Jugendämtern und letztendlich auch mit der Jugendgerichtsbarkeit. Um es zusammenzufassen: Das Problem ist mir absolut bewusst. Die bisherigen Ansätze gehen in die richtige Richtung, und jetzt muss mit allen Betroffenen gesprochen werden, um weitere Vereinbarungen zu treffen.

Was halten Sie von einer Verschärfung des Jugendstrafrechts?

Überhaupt nichts. Was wir haben, ist hinreichend. Es muss nur angewendet werden.

Muss das Strafmündigkeitsalter von 14 herabgesetzt werden?

Auf keinen Fall.

Was halten Sie von geschlossenen Heimen in Berlin?

Dafür sehe ich keine Notwendigkeit.

Werden Sie die Jugend-Staatsanwälte zukünftig regional aufstellen, damit sie den Überblick über die schwierigsten Kandidaten im Kiez bekommen?

Darüber wird derzeit nachgedacht. Aber auch das muss vor einer Entscheidung erst mit den zuständigen Staatsanwaltschaften erörtert werden.

Sie haben zwölf Jahre beruflich in Brandenburg verbracht. Was kann Berlins Verwaltung und vor allem die Justiz von Brandenburg lernen?

Wichtig ist, dass wir so schnell wie möglich eine Rechtsangleichung erreichen, denn schließlich sind Berlin und Brandenburg eine Region.

Wo gibt es denn noch unterschiedliche Rechtsbereiche?

Es gibt zwei Richtergesetze beispielsweise und auch zwei Beamtengesetze. Aber das gilt nicht nur für den Justizbereich, alle sind gut beraten, mit Brandenburg zu kooperieren.

Nach Karlsruhe hat es ja wieder Spannungen zwischen Berlin und Brandenburg gegeben …

Ich finde die Sparvorschläge, die in Brandenburg an Berlin erteilt wurden, ein bisschen sehr theoretisch. Vielleicht wäre ein Ratschlag außerhalb der Öffentlichkeit auch besser zu diskutieren gewesen.

Halten Sie denn die Sparvorschläge aus Karlsruhe auch für zu theoretisch?

Die muss man im Einzelnen noch erörtern. Es ist ja nicht so, dass man ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in die Schublade legt und sagt: Das geht uns alles gar nichts an.

Den Eindruck vermittelte der Senat aber.

Das sagen Sie so, aber wir fangen ja jetzt gerade erst an. Wir müssen in Berlin sehr genau überlegen, was an weiteren Einsparungen noch verantwortet werden kann. Ich bin mir auch durch meine frühere Tätigkeit dessen bewusst, dass wir in einer ganz schwierigen Haushaltslage sind. Das muss man in Einklang bringen mit den Aufgaben, die wir zu erledigen haben.

Stichwort Berliner Justizreform. Wo sehen Sie in Berlin noch Modernisierungsbedarf?

Die Gerichte müssen bürgerfreundlicher werden, beispielsweise indem wir die Öffnungszeiten noch besser abstimmen und den Service weiter verbessern.

Aus Brandenburg ist zu hören, dass Sie eine autoritäre Chefin seien.

Ich bin nicht autoritär, überhaupt nicht. Aber vielleicht kann man mich als Autorität ernst nehmen. Ich habe bestimmte Vorstellungen bezüglich der Qualität der Arbeit. Das habe ich im Rechnungshof von Brandenburg den Mitarbeitern auch immer gesagt. Darüber diskutiere ich auch mit jedem. Wenn ich unrecht habe, einige ich mich auch auf andere Dinge. Autoritär ist jemand, der nicht begründen kann, was er haben will. Wieso ich da autoritär sein soll, weiß ich nicht.

Sie werfen also nicht mit Gesetzbüchern um sich und neigen nicht zu Lautstärke?

Ich habe noch nie mit einem Gesetzbuch oder etwas anderem geworfen, und die Stimme hebe ich auch nicht. Dazu bin ich einfach nicht der Typ. Ganz im Gegenteil. Ich bin ein äußerst kommunikativer, eher zurückhaltender Mensch. Aber ich habe bestimmte Forderungen an die Qualität, und die muss ich als Leiterin einer Behörde auch haben. Aber eigentlich bin ich ganz nett.

Das Gespräch führten Katja Füchsel

und Lars von Törne.

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