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Berlin: „Wir fliegen hier, solange es geht“

1990 startete Windrose Air Business-Flüge ab Tempelhof. Die Airline ist dem Flughafen treu geblieben

Thomas Stillmann hat nicht lange gezögert. Kaum durften nach der Einheit die ersten in Deutschland registrierten Flugzeuge nach der Wende wieder in Berlin landen, griff er zu – und sattelte um. Bisher arbeitete er für eine Künstleragentur und vermittelte dabei auch Flüge. Als er davon hörte, dass sechs Leute ein Flugzeug beschafft hatten, um Charterflüge anbieten zu können, stieg er mit ein. Das junge Unternehmen stationierte mit der zweimotorigen „Cessna 421“ im Oktober 1990 das erste gewerbliche Geschäftsreiseflugzeug in Berlin und wählte dabei den Flughafen Tempelhof als Heimatbasis.

Der Start war schwierig; das Geschäft kam nur langsam in Schwung. Aber Stillmann war vom Erfolg überzeugt – mehr wohl als seine Kompagnons. Nach und nach übernahm er deren Anteile und leitete das Unternehmen seither allein. Er hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Am Freitag feiert „seine“ Windrose Air nun ihr 15-jähriges Bestehen. Das Angebot reicht von Geschäfts- und Privatflügen bis zu Ambulanzflügen und Frachttransporten. Weniger gefragt sind Rund- und Fotoflüge. Rund 40 Mitarbeiter sind bei Windrose Air beschäftigt.

Einen großen – positiven – Einschnitt hatte es 1999 gegeben. Von diesem Jahr an setzte die Gesellschaft nur noch fabrikneue Flugzeuge ein. Im Jahresabstand übernahm Stillmann jeweils ein weiteres Flugzeug. Heute gehören sechs Maschinen zur Flotte. Zwei gehören Stillmann; die anderen haben andere Eigentümer, die ihre Maschinen über Windrose Air wirtschaftlich einsetzen können.

Die Kunden können wählen – zwischen dem kleinsten „Cessna CitationJet“ mit fünf oder sechs Plätzen und dem nach Stillmanns Angaben größten in Deutschland zugelassenen Businessjet, der „Gulfstream IV-SP“ für maximal 13 Passagiere. Auf Langstrecken finden fünf Passagiere auch eine Schlafgelegenheit in dieser Maschine. Knapp zehn Mal pro Tag heben die Maschinen durchschnittlich in Tempelhof ab. In diesem Monat folgt mit der „Challenger“ eine weitere Maschine. Solche Flugzeuge setzt auch die Bundesregierung ein. „Aber unsere Maschinen sind nicht so alt“, sagt Stillmann nicht ohne Stolz. Für Januar ist eine weitere Anschaffung geplant.

Kunden sind vor allem Manager von Konzernen. Aber auch Mittelständler nutzen nach Stillmanns Angaben das Angebot der flexiblen Flüge. Hin und wieder auch Politiker. Und natürlich Sportler, Medienmenschen, Künstler. So schließt sich für Stillmann wieder der Kreis.

Mit seiner Gesellschaft ist er auf Tempelhof fixiert. Das Angebot der Flughafengesellschaft, nach Schönefeld zu ziehen, hat er abgelehnt. Noch sei der Flughafen am Stadtrand zu schlecht erreichbar; der Vorteil der kurzen Wege ginge verloren, so Stillmann. Zudem befürchtet er, in Schönefeld jahrelang seine Kunden auf einer Baustelle empfangen zu müssen.

Den Versuch der Flughafengesellschaft, Tempelhof zu schließen, konterte Stillmann deshalb im vergangenen Jahr mit dem Angebot, den City-Flughafen in eigener Regie zusammen mit Partnern weiter betreiben zu wollen. Mit dabei waren der Eigentümer der Fluggesellschaft dba, Hans Rudolf Wöhrl und der Chef der Germania, Hinrich Bischoff. Weder die Flughafengesellschaft noch der Senat gingen auf das Angebot ein.

Beide wollen den Flugbetrieb in Tempelhof nach wie vor möglichst schnell aufgeben. Im Eilverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht vor einem Jahr die sofortige Schließung untersagt. Das Hauptsacheverfahren sollte jetzt entschieden werden. Doch der Termin lässt sich nicht halten. Unsicherheit herrscht darüber, zu welchem Zeitpunkt der Flugbetrieb eingestellt werden könnte.

Die drei Flughafengesellschafter – Berlin, Brandenburg und der Bund – hatten 1996 vereinbart, Tempelhof zu schließen, sobald die Ausbaugenehmigung für Schönefeld rechtskräftig ist. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts soll bis zum Sommer nächsten Jahres vorliegen.

Unter Juristen umstritten ist aber, zu welchem Zeitpunkt das Verfahren endgültig abgeschlossen ist: Nach den Verhandlungen der Musterklagen, nach Abschluss aller Klageverfahren oder gar erst, wenn auch alle möglichen Entschädigungsprozesse abgeschlossen sind.

Noch starten und landen sieben Linienfluggesellschaften in Tempelhof – Cirrus, Dau Air, dba, European Air Express, Germania-Express, Intersky, LGW (Luftfahrtgesellschaft Walter) und SN Brussels. Erreichen können sie Ziele, die etwa 850 Kilometer von Berlin entfernt sind. Da die längste Startbahn in Tempelhof nur 2094 Meter misst, können nur kleinere Maschinen voll besetzt und voll betankt abheben.

Statt in Tegel ein zweites Abfertigungsgebäude zu bauen, sollten alle Flüge mit Maschinen unter 50 Tonnen in Tempelhof starten und landen, fordert Bernhard Liscutin, Präsident der Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof. Der Anteil dieser Maschinen in Tegel betrage immerhin rund 35 Prozent. Mit einer Verlagerung nach Tempelhof würde Tegel entlastet, so Liscutin. Für größere Maschinen im Linienverkehr sei Tempelhof dagegen nicht geeignet. Dafür seien auch die Wartebereiche zu klein. Vor dem Schließungsbeschluss hatte die Flughafengesellschaft noch erwogen, auch die Anlagen in Tempelhof zu erweitern.

Immerhin sind auf dem einstigen Zentralflughafen vor dem Umzug der alliierten Linienfluggesellschaften in den 70er Jahren einst rund fünf Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt worden. Diese Zeiten aber sind endgültig vorbei. Jetzt dominieren die kleinen Gesellschaften – wie die Windrose Air. Und Stillmann will bleiben, solange der Flughafen in Betrieb ist. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, ist er überzeugt.

Das Geld für die Prozesskosten haben die Befürworter des Flugbetriebs bereits auf ein Treuhandkonto einbezahlt.

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