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Berlin: Wir Lehrer haben aus Pisa bislang zu wenig gelernt

Wolfgang Harnischfeger kritisiert, dass viele Pädagogen sich zu häufig auf die Politik verlassen

Welchen Anteil haben wir Lehrerinnen und Lehrer an der Tatsache, dass nach der Pisa-Studie deutsche Schülerinnen und Schüler international nur im unteren Drittel rangieren?

Mir scheint, das Ausmaß dieser Tragödie wird in den Schulen selbst weit weniger thematisiert als in den Medien. Wir Lehrkräfte stellen uns nach meiner Einschätzung nicht hinreichend der Tatsache, dass man das Ergebnis unserer Arbeit im internationalen Vergleich als knapp ausreichend befunden hat und verweisen statt dessen zu häufig auf die Politik. Natürlich müssten die Rahmenbedingungen für Schule besser sein, aber auch wir können vieles verändern.

Ich sehe unter der Lehrerschaft drei Reaktionen: Zum einen die Gruppe, die schon vor der Pisa-Studie ihren Unterricht umgestellt hat auf selbstorganisiertes Lernen, Schulung der Methodenkompetenz und Teamfähigkeit. Diese Gruppe hat sich im Wesentlichen selbst motiviert, häufig aus der Erkenntnis heraus, dass alles andere an den Kindern vorbei geht.

Eine weitere Gruppe nimmt die Pisa-Studie nicht zur Kenntnis, macht ihren Unterricht weiter wie bisher, verdrängt deren Befund. Diese Gruppe ist unter den bisherigen Bedingungen nahezu reformresistent. Eine dritte Gruppe setzt auf Kontrolle und Selektion, mag Pisa auch noch so deutlich ergeben haben, dass Auslese weder den Guten noch den Schwachen hilft. Der Verband der Oberstudiendirektoren fordert z.B. standardisierte Tests in der 4., 6., 8. und 10. Klasse, in den beiden Sek-I-Jahrgängen in acht (!) Fächern, außerdem Einzelevaluationen von Lehrkräften und Schulen. Dies ist die Rückkehr zur Paukschule der 60-er Jahre unter Einsatz neuester Technik.

Was sollte geschehen? Zunächst einmal müssen die vorhandenen positiven Ansätze weiter geführt werden, z. B. muss das Projekt „Pädagogische Schulentwicklung" ausgebaut werden. Dann sollten in allen Schulen feste Präsenszeiten für Teamarbeit eingeführt werden. Außerdem muss die unterschiedliche Arbeitsbelastung aufgrund der Fächer im Rahmen einer Jahresarbeitszeit ausgeglichen werden. Und nicht zuletzt muss ein Fortbildungsangebot entwickelt werden, das auch Lehrkräfte nach langen Berufsjahren motiviert weiter zu lernen.

Der Autor leitet das Lankwitzer Beethoven-Gymnasium und ist Mitglied der Bildungskommission Berlin-Brandenburg sowie der Arbeitsgruppe „ Reform der gymnasialen Oberstufe“ beim Bildungssenator.

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