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Berlin: „Wir sind weniger schizophren als die SPD“

Harald Wolf (PDS) setzt als Wirtschaftssenator die Politik um, die seine Partei im Bund ablehnt. Für ihn ist das kein Widerspruch

Ihre Kollegin Heidi KnakeWerner sagte kürzlich: „Nur wo PDS drauf steht, ist auch PDS drin.“ An diesem Wochenende benennt sich Ihre Partei in Berlin um. Wie viel PDS steckt künftig in der Linkspartei?

Wir nennen uns um in „Linkspartei.PDS“. Da steckt also auch künftig die PDS drin.

Wie viel?

So viel wie in der Vergangenheit. Wir öffnen unsere Listen für Nichtmitglieder, aber das haben wir auch vorher schon so gemacht.

Ist es dann nicht Etikettenschwindel, sich den Mantel Linkspartei überzuhängen, der eine Neuorientierung suggeriert?

Nein. Das Neue an der Linkspartei ist, dass sie die Beschränkung der PDS auf den Osten überwindet, weil sie neue Wählerschichten im Westen anspricht.

Beim Streit über Hartz IV hat Klaus Wowereit Sie aufgefordert, mehr zwischen Senatorenamt und Parteipolitik zu unterscheiden. Erleben wir im Wahlkampf den Senator oder den Parteipolitiker Harald Wolf?

Ich werde den Wahlkampf nicht inkognito bestreiten. Man wird erkennen, dass ich beides bin: PDS-Mitglied und Senator. Auch Klaus Wowereit hat mit der Wahl zum Regierenden Bürgermeister sein Parteibuch nicht abgegeben.

Ihre Politik dient in anderen Landesverbänden von Linkspartei und WASG als abschreckendes Beispiel für neoliberale Realpolitik. Wie sehr müssen Sie sich im Bundestagswahlkampf verbiegen?

Es gibt in der PDS inzwischen bundesweit ein Verständnis für die besondere Berliner Situation mit der Haushaltsnotlage und einzigartigen Strukturproblemen. Die Vorschläge der Linkspartei im Bund würden mehr Einnahmen für das Land Berlin bedeuten. Wirtschaftspolitisch laufen sie auf Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hinaus – damit auf Wachstum und Beschäftigung. Beides kann ich nur begrüßen.

Die SPD sieht Sie als PDS-Senator in einer widersprüchlichen Rolle: Sie machen Realpolitik im Gegensatz zu dem unrealistischen Wahlprogramm Ihrer Partei.

Das stimmt nicht. Die Politik der Linkspartei orientiert sich an der Wirklichkeit. Realistische Politik besteht darin, klar auszusprechen, was ist. Das heißt auch festzustellen: Eine rot-grüne Politik, die in der Krise hohe Einkommen entlastet und bei niedrigen Einkommen Kürzungen verordnet, die gleichzeitig versucht, Steuerausfälle durch neue Kürzungen auszugleichen, führt zu einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale und verfehlt das Ziel Haushaltskonsolidierung. Das ist hochgradig irrationale Politik.

Ihre Partei fordert im Bund: Arbeit für alle, weg mit Hartz IV, gesetzlichen Mindestlohn, mehr Investitionen – ein Gegenprogramm zur Politik des rot-roten Berliner Senats. Das ist für Sie nicht widersinnig?

Wir fordern nicht einfach Arbeit für alle, sondern eine Wirtschaftspolitik, die die Nachfrage auf dem Binnenmarkt wieder stärkt – übrigens im Einklang mit den Dax-30-Unternehmen. Unser Steuerkonzept würde im Gegensatz zu anderen die Staatseinnahmen verbessern, vor allem durch konsequente Streichung von Steuersubventionen, Erbschaftssteuer und höhere Besteuerung hoher Einkommen.

Für Ihre Kritiker sind Sie dennoch das realpolitische Feigenblatt einer schizophrenen Partei.

Unsere Situation ist weit weniger schizophren als die der Sozialdemokraten. Die SPD hat größere Probleme als wir, sich im Wahlkampf zu sortieren. Schizophren finde ich, zuerst die Besteuerung von Gewinnen aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen abzuschaffen und dann eine seltsame Heuschreckendiskussion über Finanzinvestoren zu führen.

Noch ein Widerspruch: „Weg mit Hartz IV“ fordert die Linkspartei. Sie hingegen setzten die Reform auf Landesebene um.

Die Linkspartei fordert genau das, was ich auch fordere: die Leistungen zum Lebensunterhalt aufzustocken auf 420 Euro. Wir folgen damit einer Empfehlung der Wohlfahrtsverbände. Wir fordern außerdem, die Unterstützungsleistungen für Langzeitarbeitslose zusammenzufassen und daraus reguläre Jobs zu schaffen, die zusätzliche Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllen. Das ist ein konkreter, realpolitischer Vorschlag.

Sie sind Wirtschaftssenator, weil Gregor Gysi 2002 den Job geschmissen hat. Denken Sie, er wird im Bundestag eine mehr an der Realität orientierte Politik vertreten?

Man kann Gysi nicht vorwerfen, er habe als Senator keine realistische Politik gemacht. Er hat den ersten rot-roten Haushalt mit verantwortet. Dieser Haushalt hat die Wende von der Verantwortungslosigkeit der Großen Koalition zu einer strikten Konsolidierungspolitik eingeleitet.

Und dann hat er sich nach sechs Monaten unrühmlich aus dem Amt verabschiedet.

Er ging, weil er nach der Bonusmeilenaffäre strengere Maßstäbe an sich anlegte als andere. Er zog die Konsequenzen aus dem, was er als eigenes Fehlverhalten sah. Das hatte mit Amtsmüdigkeit oder Flucht aus der Verantwortung nichts zu tun.

Sie haben mal gesagt, die Regierungsfähigkeit der PDS/Linkspartei im Bund hängt davon ab, ob sie einen Partner findet – wie wär’s ab 2009 mit der SPD, wie es Klaus Wowereit sich vorstellen kann?

Das setzt voraus, es gibt eine gemeinsame politische Marschrichtung. Die SPD, wie sie heute dasteht, ist im Bund kein Koalitionspartner für uns. Aber die SPD hat sich in der Geschichte schon häufig geändert.

Zu Ihrer Kandidatenkür am Wochenende haben Sie mit der WASG eine Gruppe eingeladen, die Ihre Politik ablehnt. Ein Versuch, sie durch Umarmung zu erdrücken?

Wir befinden uns im Prozess einer Kooperation auf Bundesebene. Da werden wir in Berlin nicht ausschwenken. Aber wir werden die Differenzen austragen. Die Berliner WASG wird sich entscheiden müssen, ob sie mit der PDS kooperiert oder gegen die PDS arbeitet.

Das Gespräch führte Lars von Törne

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