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Berlin: Wird der Preis hier nach Biorhythmus und Ansehen der Person kalkuliert?

Diedenhofer Str. 5, Prenzlauer Berg.

Diedenhofer Str. 5, Prenzlauer Berg. Telefon: 44 05 33 31. Nur Abendessen, sonntags und montags geschlossen. Alle Kreditkarten.Bernd Matthies

Das war eine mühsame Annäherung. Einmal saßen wir schon drin, ungefähr vor einem Jahr, und erfuhren erst dann, dass gerade ein Scampi-Abend angesagt war, der uns als Grundlage für einen Bericht doch ein wenig schmalspurig schien. Dann waren mal Ferien, und schließlich stand an der Tür, was an den Türen aller ehemaligen Restaurants steht: Wegen Renovierung geschlossen.

Komischerweise gibt es das "Baccanale" immer noch, und wir rufen es hiermit zum einzigen Berliner Restaurant seit Menschengedenken aus, bei dem "Renovierung" wirklich Renovierung bedeutet. Bis zum Besuch kostete es dennoch einige Mühe, denn im Telefonbuch ist es unter dem entlegenen Stichwort "Weinrestaurant" einsortiert, was insofern weiter hilft, weil es auf dieser Basis nicht schwer ist, bei der Auskunft die neue Nummer zu erfragen.

Ja, dann saßen wir drin in dem von Weinfans geschätzten winzigen, etwas stickigen Kelleraum am Wasserturm - und starrten auf eine Tafel, die in sechs Gängen das gesamte Angebot der Baccanale-Küche enthielt. Die Bestellung war deshalb sehr einfach, und bei einem Glas ausgezeichneten Champagners fragten wir uns, welchen Grund es wohl geben könne, auf die Tafel nicht den Preis des Menüs zu schreiben? Auch eine Weinkarte scheint nicht zu existieren, denn eine Weile nach der Bestellung erschien wiederum der Patron, der irgendwo aus dem Nahen Osten stammt und deshalb - übertönt von einer herzhaft feiernden Runde am Ecktisch - nicht leicht zu verstehen war.

Er hielt uns zwei Flaschen Riesling edler deutscher Produzenten zur Auswahl hin; der Preis blieb ebenfalls im Dunkeln. Wir machten uns über gelb-rote Paprikaterrine mit Zucchinischeiben her, die als Appetitanreger recht großzügig dimensioniert war und sanft und typisch schmeckte. Brot kam nur zögernd; es handelte sich um Fertig-Ciabatta, das eigentlich zum Aufbacken gedacht ist. Bäckt man es nicht auf, wie hier geschehen, schmeckt es wie gedämpfte Versandtasche.

Die folgenden Scampi auf Spinat hatten eher die Größe eines Amuse Gueule. Interessant im Geschmack, leicht auf asiatisch getrimmt, mit Koriander, Ingwer und offenbar Kokosmilch - wir konnten allerdings nicht entscheiden, ob jeder zwei kleine halbe oder zwei sehr kleine ganze Scampi bekommen hatte. Die anschließende Poularden-Consommé war nahezu kalt, was kein Wunder ist, wenn man die dicken, flachen Teller nicht vorwärmt. Nach der Reklamation kam die Suppe zumindest warm und schmeckte dann recht gelungen. Wir hatten das Menü um einen Gang verkürzt bestellt, in der Hoffnung, den zweiten und dritten Gang gleichzeitig zu bekommen, doch das war nichts, denn die Küche arbeitet hier unerbittlich Gang um Gang ab - wer um acht kommt und nur Dessert bestellt, wartet vermutlich drei Stunden, bis das Küchenduo das Dessert-Level erreicht hat. Bei differierenden Bestellungen muss also immer einer am Tisch zugucken.

Also Dorade "in Tomaten-Safran-Fumet": Zwei Filets in einer Größe, als habe der Koch den Vorrat im Goldfischglas. Über die Qualität kann ich nicht viel sagen, weil der Frittiergeruch der Glasnudeln obendrauf jegliches Aroma übertönte. Nach einem Zwischenspiel mit einem störend süßen Apfelsorbet, eher Champagner-Apfelmus, machten wir uns daran, je zwei Rehmedaillons zu essen, so groß wie Fünfmarkstücke, aber doch sehr viel höher: ausgezeichnet gebraten, sehr aromatisch. Dazu tadelloses Selleriepüree und, offenbar, Stücke von schwarzen Nüssen. Trüffel waren es jedenfalls nicht, obwohl "Trüffelsauce" versprochen war; immerhin war ein Hauch Trüffelöl zu riechen. Schließlich ein ordentliches Mokkamousse mit Sherrysabayon und zwei Orangenschnitzen von normaler Größe.

Da waren wir dann doch auf den Preis gespannt. Die verschiedenen offenen Weine wurden sehr fair abgerechnet, das Essen kostete - 100 Mark. Pro Kopf. Wir schluckten, fragten nach dem Preis für die kompletten sechs Gänge und erfuhren, dass dafür 145 Mark aufgerufen seien. Könnte, vom ohnehin abstrus hohen Niveau abgesehen, eine zusätzliche Hühnersuppe 45 Mark wert sein? Wir hatten den dunklen Verdacht, dass der Preis hier nach Biorhythmus und Ansehen der Person kalkuliert wird.

Vielleicht kriegen Sie es ja billiger. Für unseren Tarif bekommen wir in mehreren der besten Restaurants der Stadt ein exzellentes Essen, durchaus besser als das hier, schneller und nach den üblichen Regeln serviert von gutem Service. Und sitzen auch noch in einem angenehmen, gut gelüfteten Raum.

Man muss großen Spaß an der eigenartigen Hobbykeller-Atmosphäre haben, um einen Besuch im "Baccanale" vorzuziehen.

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