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WM-Fans: Erst bangen, dann jubeln

In Berlin haben hunderttausende Fans überglücklich den Einzug der deutschen Nationalmannschaft ins Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gefeiert.

Berlin - Über 120 Minuten Anspannung entladen sich in nur einem Moment: Hunderttausende reißen beim Fan Fest am Brandenburger die Arme in die Höhe und jubeln frenetisch, als Torhüter Jens Lehmann in der Achtelfinalbegegnung Deutschland - Argentinien den entscheidenden Elfmeter hält. Wildfremde Menschen liegen sich am Freitag in den Armen, klatschen sich gegenseitig in die Hände und schwenken ihre Fahnen in Schwarz-Rot-Gold. Ganz besonders Ausgelassene verspritzen Bier über die Köpfe der Menge. Deutschland hat nach Elfmeterschießen mit 5:3 gegen Argentinien gewonnen und steht damit im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land.

Lange mussten hundertjausende Fans auf der Fanmeile zittern. Die verwandelte Elfmeter von Oliver Neuville, Michael Ballack, Lukas Podolski und Tim Borowski lösen immer neue Begeisterungsstürme aus. Viele halten vor Nervosität die Daumen fest gedrückt oder verstecken ihr Gesicht hinter Deutschlandflaggen. Bei jedem Elfmeter der Gastmannschaft feuern die Anhänger der DFB-Elf Torhüter Jens Lehmann an, bis er schließlich auch zum zweiten Mal den Ball abwehrt. Die wenigen argentinischen Anhänger auf der Fanmeile sind im Jubel kaum mehr auszumachen.

Schon nach dem Ausgleich zum 1:1 durch Stürmer Lukas Podolski hatten die Fans wieder neue Hoffnung geschöpft, nachdem es lange schlecht stand für das deutsche Team. Nach dem Treffer skandieren die Fußballbegeisterten auf dem Fan Fest «Deutschland, Deutschland» und «Zieht den Gauchos den Zauber aus dem Fuß».

Vor dem Ausgleich drohte die Stimmung sogar zu kippen. Quittierten die Zuschauer auf Deutschlands größtem Fanfest das 1:0 kurz nach der Halbzeit durch Ayala zuerst mit entsetztem Schweigen, kam es an einigen Ecken in der der bierseeligen Stimmung zu Auseinandersetzungen zwischen Fußball-Anhängern. Die Polizei schritt schnell ein, zog Störer aus dem Publikum und zeigt massiv Präsenz. Die Lage entspannt sich aber erst nach dem erlösenden 1:1.

"Jetzt holen wir den Titel"

«Oh, Mann, meine Nerven», seufzt die 18-jährige Janine aus Berlin, die eine Deutschlandfahne um die Hüften trägt, nach dem Spiel. «Das war so was von spannend, aber jetzt bin ich mir ganz sicher, dass wir den Titel holen», betont ihre gleichaltrige Freundin Rabea.

Die beiden Mädchen waren mit ihren Freundinnen wie zehntausende andere Fans bereits Stunden vor dem Anpfiff der Viertelfinalpartie im Olympiastadion auf die Meile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule gekommen. Wegen des großen Andrangs hatte der Veranstalter früh die Eingänge am Berliner Wahrzeichen gesperrt. Viele Fußballbegeisterte wichen in langen Fußmärschen auf die anderen Eingänge aus. «Ich bin echt fertig, wenn das so weiter geht, höre ich mir das Spiel zu Hause im Radio an», fluchte einer. Zahlreiche Fans trinken vor den Eingängen noch schnell ihre Bierflaschen leer. Ganz zur Freude der vielen Pfandsammler, die die Glasbehälter gleich tütenweise davonschleppen.

Kurz vor Spielbeginn ist bereits 200 Meter vor dem Brandenburger Tor kein Durchkommen mehr. Auch vor den anderen Videowänden sammeln sich Menschentrauben. Der Stimmung tut das Gedränge zu Beginn keinen Abbruch. Ein Riesenjubel brandet auf, als das Spiel endlich angepfiffen wird. Einige Mädchen haben sich die Deutschlandfahren sogar auf den blanken Busen gemalt. Überall sind «Deutschland, Deutschland»-Gesänge zu hören, die mit Tröten und Hupen untermalt werden. Zum Spaß kürzen viele ihre Schlachtrufe auch mit einem langgezogenen «Schlaaaand» ab.

Überhaupt wird fast alles mit den einschlägigen Fanmelodien besungen und meist ein «Schalalalala» angehängt. Neben «Deutschland wird Weltmeister» ist auch «Das war super, das war elegant» zu hören. Zu einer Art Running Gag bei den Meilenbesuchern hat sich auch die Liedzeile «»Grün-Weißer Partybus« entwickelt, die immer vor Polizeifahrzeugen angestimmt wird.

Ein Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei dem Turnier ist für die Fußballbegeisterten auf dem Fan Fest schlichtweg ausgeschlossen. Auch für Janine und Rabeah steht Deutschland als neuer Titelträger bereits fest. »Wir sind schon das zweite Mal hier, weil die Stimmung so geil ist«, betonten die beiden jungen Frauen und fügen hinzu: »Zum Finale sind wir wieder da". (Von Mirko Hertrich, ddp)

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