zum Hauptinhalt
Hauptsache bunt. Weben, sticken und nähen lernen kleine Mädchen in Ägypten schon früh von ihren Müttern.

© mauritius images

Fairtrade auf dem "Bazaar Berlin": Wo Frauen Fäden ziehen

Schon zur Pharaonenzeit blühte in Ägypten das Kunsthandwerk. Fair Trade Egypt hilft, das Erbe zu bewahren. Ab heute gibt es die Produkte auf der Verkaufsmesse "Bazaar Berlin" unterm Funkturm zu bestaunen.

Nur ein schmaler, holpriger Weg führt nach Shandawyl, eine Insel im mittelägyptischen Sohag. Überladene Eselskarren und in die Jahre gekommene Trucks rattern durch die Landschaft. Touristen, die an feinsandigen Stränden des Roten Meeres die Sonne genießen, verirren sich in der Regel nicht hierher.

Dabei birgt die Gegend einen besonderen Schatz: Seit Generationen pflegen die Frauen hier eine uralte Stickkunst, deren Blumenmotive, Ornamente und strahlend bunte Farben fröhlich wirken. Jedes Stück ist ein Unikat. Die Begabung der Frauen ist ihr Glück und für sie oft die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt in der immer noch stark von den Männern dominierten Gesellschaft zu bestreiten.

Dass die Schandawyl-Frauen auch in Europa Abnehmer für ihre Entwürfe finden, haben sie wesentlich Mona El Sayed zu verdanken. Seit zwölf Jahren ist sie Geschäftsführerin von Fair Trade Egypt (FTE). Der Verband unterstützt weit über zweitausend einheimische Kunsthandwerker in 13 Regionen in Ägypten, 90 Prozent sind Frauen. „Sie produzieren so schöne Dinge, aber keiner kümmert sich um sie oder um ihr Handwerk“, sagt die 38-Jährige. Dabei sei dieses kulturelle Erbe, das tief in die Pharaonenzeit zurückreicht, auch ein Teil ihrer Geschichte. „Das will ich unbedingt bewahren.“

Es fehlte eine langfristige Vision

El Sayed gehört zu den wenigen jungen Frauen in Ägypten, die eine gute Ausbildung genossen haben und der viele Möglichkeiten offenstehen. Nach ihrem Wirtschaftsstudium in Kairo bekam sie eine lukrative Stelle bei Procter & Gamble. Erfüllt hat sie der Job allerdings nicht. „Ich wollte mich für eine sinnvolle Veränderung einsetzen“, sagt sie rückblickend. Bald stieg sie aus und absolvierte noch Business-Management (MBA) an der Universität Maastricht.

„Es war eine ziemlich frustrierende Zeit“, erinnert sich El Sayed heute. Zwei Jahre lang suchte sie nach einer Tätigkeit, mit der sie sich identifizieren konnte. Bis sie 2003 bei „Egypt Crafts“ landete. Die 1998 auf Initiative von North South Consultant Exchange (NSCE) gegründete Marketing-Organisation sollte lokalen Handwerkern und Kleinhändlern neben Förderung durch soziale Projekte einen direkten und nachhaltigen Zugang zum Markt ermöglichen.

Doch nur wenige Jahre nach der Gründung wird klar: Die Umsetzung der ambitionierten Ziele in die Praxis gestaltet sich schwieriger als zunächst angenommen. Egypt Crafts kämpft nicht nur mit finanziellen Schwierigkeiten. Es fehlt eine langfristige Vision.

Der faire Handel war die Lösung

Mona El Sayed aber hat Ideen. Ein Jahr lang reist sie quer durch Ägypten und besucht die Kunsthandwerker. „Wir hatten einen umfangreichen Fragenkatalog, nicht nur zu ihren Arbeitstechniken, sondern auch zu ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation“, erzählt sie. Die tiefen Einblicke in den Alltag dieser Menschen lieferten wichtige Erkenntnisse, die Mona El Sayed und ihr Team in eine schlagkräftige Strategie bündeln konnten. „Wir haben uns gefragt, welche Werte wir insgesamt übermitteln können“, sagt sie. Das Prinzip des fairen Handels schien die beste Lösung. Kurz darauf wurde Egypt Crafts in Fair Trade Egypt umbenannt.

Seitdem setzt sich FTE gezielt für die Vermarktung des traditionellen Kunsthandwerks ein. Mehr als tausend typisch ägyptische Produkte gehören zum Portfolio: feine Schals aus Shandawyl, Tücher aus Naqada, Beduinenstickereien aus dem Sinai, Alabastergefäße aus Luxor oder handgewebte Baumwollbettdecken aus Akhmim. „Ich staune immer wieder, wie leicht und selbstverständlich es wirkt, wie die Weber dort arbeiten. Dabei müssen sie flott im Kopf rechnen können“, schmunzelt El Sayed. Inzwischen gibt es zwei Geschäfte in Kairo, wo die Waren zu kaufen sind.

Alphabetisierung steht oben auf der Liste

FTE ist aber mehr als eine bloße Vermarktungsorganisation, die den Export vorbereitet. Der Verband steht den Produzenten auch beratend zur Seite, hilft bei der Produktentwicklung, organisiert Schulungen und Workshops in den Werkstätten vor Ort. „In vielen Ländern sind die Fairtrade-Produzenten nicht so gut organisiert“, sagt Manfred Schumacher, Vorstand des Bundesverbandes für fairen Import. Dabei geht es nicht nur um technisches Know-how.

Denn neben ökonomischen rücken bei FTE besonders soziale Aspekte in den Fokus. Gesundheitliche Vorsorge und Alphabetisierung stehen ganz oben auf der Liste. Besonders ägyptische Frauen profitieren davon. Rund 40 Prozent von ihnen, meist in den ländlichen Regionen, sind Analphabetinnen.

Die Einnahmen aus dem Verkauf fließen in die Gemeinden zurück. Oft sind es soziale Härtefälle. „Die Kunsthandwerker verdienen bis zu 150 Euro im Monat“, sagt El Sayed. Für deutsche Verhältnisse sei das wenig. In Ägypten aber stünden viele Menschen ohne dieses Geld vor dem Nichts.

Fair Trade Egypt setzt mit seinem Engagement Maßstäbe. Der Verband ist seit 2008 Mitglied bei der Welt-Fairhandelsorganisation (WFTO). 2009 wurde auch Mona El Sayed dort zum Vorstand gewählt. Damit ist sie die erste und einzige Nordafrikanerin an der Spitze der WFTO seit ihrer Gründung im Jahr 1964.

Fair Trade Egypt wird im Rahmen des Fair Trade Market auf dem diesjährigen Bazaar Berlin mit der Kollektion „Shades of Ra“ in Halle 14.1 vertreten sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false