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Berlin: Wo Techniker mit Sportlern Schlitten fahren

Mittlerweile hat sich Harald Schaale daran gewöhnt; denn wenn die Mitarbeiter seines Instituts etwas Neues erfunden haben, mit dem Sportler noch bessere Leistungen erzielen können, reagieren die meisten Topathleten zunächst skeptisch. Aber dem 49-Jährigen gelingt es immer wieder, sie zu überzeugen.

Mittlerweile hat sich Harald Schaale daran gewöhnt; denn wenn die Mitarbeiter seines Instituts etwas Neues erfunden haben, mit dem Sportler noch bessere Leistungen erzielen können, reagieren die meisten Topathleten zunächst skeptisch. Aber dem 49-Jährigen gelingt es immer wieder, sie zu überzeugen. Schaale setzt dabei auf ihren Siegeswillen und erklärt: "Bei gleichem Leistungsstand gewinnt derjenige, der Sportgeräte mit dem besten Material benutzt". Dass diese These keineswegs nur Theorie ist, beweisen die Erfolge, die das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) vorweisen kann.

Fast überall, wo deutsche Spitzensportler bei Welt-, Europameisterschaften und Olympischen Spielen um Medaillen kämpfen, haben die Köpenicker Ingenieure ihre Hände im Spiel. Nimmt man es genau, müssten eigentlich auch die Spezialisten mit auf dem Siegertreppchen stehen. Birgit Fischer, Gunda Niemann-Stirnemann, Anni Friesinger, Robert Bartko und Susi Erdmann paddelten, liefen, radelten oder fuhren mit den Köpenicker Geräten auf vordere Plätze. Angefangen hat das FES einst in den 60er Jahren. Damals wurden Ruder-und Segelboote weiter entwickelt, weil das vorhandene Material im Leistungssport zu schnell zu Bruch ging. Heinz-Jürgen Bothe, Ruderolympiasieger von 1968, erinnert sich noch genau an das andere "Wassergefühl". Die Boote seien schmaler und dadurch kippliger geworden, sagt der 60-Jährige. Inzwischen bringt der ehemalige Leistungssportler seine Erfahrungen im Institut ein. Er tüftelte unter anderem an verschiedenen Wintersportgeräten mit,verbesserte Ruder- und Paddelblätter.

An den Schlitten für deutsche Spitzenrodler arbeiten die Ingenieure schon seit 30 Jahren. "Auf die kontinuierliche Entwicklung kommt es an, nicht auf die spontane Idee", sagt Schaale. Er legt besonderen Wert auf die wissenschaftliche Betrachtungsweise des "Systems Sportler und Gerät". Die Zusammenarbeit mit den Sportlern sei deshalb intensiv. So werden die Geräte für jeden individuell zugeschnitten. Aus mehreren Baugruppen wählen die Experten die passenden Kufen, Schlittenböcke und Gleitbeläge aus. Wenn die Sportler die Geräte testen, kann es sein, dass sie dabei mit speziellen Messinstrumenten verkabelt werden. "Wir wissen dann genau, welche Parameter noch verändert werden müssen", sagt Harald Schaale.

Zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Salt Lake City wurden seit Oktober in der Oberhofer FES-Außenstelle neue Bobs, Schlitten und Schlittschuhe getestet. Mit dabei waren beispielsweise die flachen Geräte der Skeletonpiloten, die auf dem Bauch liegend, mit dem Kopf voran, die Eisrinne bewältigen. Von den Tüftlern aus Oberschöneweide stammen übrigens fast alle Schlitten, mit denen die deutschen Rodler bei den Wettkämpfen den Parcours hinabjagen. Auch der Viererbob des Oberhofer Europameisters André Lange wurde im Institut entwickelt. Ungefähr 100000 Euro kostete dieses Gerät. Es besteht aus Kunststoff mit Kohlefasern auf einem Spezial-Fahrgestell. FES-Spezialisten überwachen in diesen Tagen in Salt Lake City die exakte Einstellung der Bob- und Schlitten- Fahrgestelle. Besonders stolz ist Schaale auf seine neuste Errungenschaft: Trägerschienen aus Karbon für die Klappschlittschuhe der Eisschnellläufer. "Die sind pro Fuß etwa 100 Gramm leichter als die Herkömmlichen", erklärt der Direktor. Anni Friesinger gewann damit unter anderem die Europameisterschaft in Erfurt. Die Berlinerin Claudia Pechstein konnte aber dem neuen Material wenig abgewinnen.

Obwohl die Mitarbeiter an der Tabbertstraße in diesen olympischen Tagen ganz besonders für deutsche Spitzensportler fiebern, ist in den Werkstätten schon der Sommer allgegenwärtig. Halbfertige Bootsrümpfe stehen in den Hallen. In mehr als zehn verschiedenen Sportarten ist das Institut bislang tätig. Doch Schaale würde gern eines Tages noch den "besonderen Ski" entwickeln. Aber wahrscheinlich reicht dafür das Budget nicht aus. Rund 2,7 Millionen Euro stehen den Ingenieuren und Technikern jährlich zur Verfügung, etwa 2,4 Millionen Euro davon sind Fördermittel des Bundes.

Steffi Bey

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