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Noch ist der Blick frei. Zwei Skater nutzen den Sportplatz des Jugendtreffs an der Dahlemer Marshallstraße. Von der fünf Meter hohen Lärmschutzmauer sind erst Stützen zu sehen.

© Cay Dobberke

Wohnbauprojekt in Berlin-Zehlendorf: Weiter Streit wegen Schutzmauer gegen Kinderlärm

Tobende Kinder dürfen nicht mit Lärm gleichgesetzt werden – die Rechtslage ist klar. Dennoch verteidigt der Investor Stofanel die Lärmschutz-Mauer neben dem Wohnungsbauprojekt auf der Truman Plaza in Dahlem. Das Deutsche Kinderhilfswerk prangert den Fall dagegen als Skandal an.

Der Bericht über die fünf Meter hohe Dahlemer Mauer zur Abwehr von Kinderlärm hat eine große Kontroverse ausgelöst, allein in den Online-Kommentaren des Tagesspiegels gab es mehr als 160 zumeist kritische Beiträge. Dort schaltete sich auch der Polizist Andreas Veith ein: Er berichtet von einem Einsatz am Rande eines „seit Jahren existierenden Spielplatzes“. Eine Anwohnerin fühlte sich von Fußball spielenden Kindern belästigt. Der Hinweis auf die Rechtslage, wonach tobende Kinder eben nicht mit Lärm gleichgesetzt werden dürfen, half nicht. Die ältere Dame wünschte dem Polizisten und seinem Kollegen, dass sie „am 1. Mai mal verletzt werden“.

Bereits 2011 hatte der Bundestag eine Änderung des Immissionsschutzgesetzes beschlossen. Seitdem sind „Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung“. Damit ist der Bau von Kitas in reinen Wohngebieten grundsätzlich zulässig. Dennoch kommt es in Berlin oft zu Klagen. Im vorigen Jahr stritt ein Anwohner in Lankwitz gegen den Ausbau des Spielplatzes „Döhlauer Pfad“ von 416 auf 2100 Quadratmeter. An Wochenenden seien angrenzende Gärten unbenutzbar. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab mit Berufung auf das novellierte Gesetz: Schädliche Umwelteinwirkungen lägen nicht vor. Im Immissionsschutzgesetz des Landes heißt es sogar: „Störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, sind grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar.“

In Kreuzberg eskalierte ein ähnlicher Fall

Aber es gibt immer wieder Ärger. Am Elefantenplatz nahe dem Kottbusser Tor in Kreuzberg war vor drei Jahren ein 39-Jähriger auf den Erzieher einer Kitagruppe losgegangen, weil dieser die Kinder auf dem Spielplatz in der Siedlung toben ließ. Der Anwohner fühlte sich gestört, obwohl der Schläger selbst „öfter mal rumschreit, wenn ihm was nicht passt“, wie Nachbarn erzählten.

Während die Rechtslage bei Kinderlärm klar ist, bleibt Spielraum für Auslegungen bei lärmenden Clubs und Sportstätten für Erwachsene. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es: „Wir suchen eine Regelung, die den Bestand nicht gefährdet, aber auch den Neubau nicht.“ Spätestens mit der Novellierung der Bauordnung im kommenden Jahr will man eine Lösung finden.

Baustadtrat: Wand wirkt „massiv und brutal“

In Dahlem soll die Mauer um drei kleine Sportplätze, die einem bezirklichen Jugendtreff gehören, die künftige Luxuswohnsiedlung „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“ auf der benachbarten Truman Plaza vor Lärm schützen. Die für Skating, Basketball, Straßenfußball und Mountainbike-Training gedachten Anlagen werden auch von Kindern aus der benachbarten Kita und aus einer Grundschule am Hüttenweg genutzt.

Am Mittwoch war zu erfahren, dass Investor Stofanel die Mauer mit dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf abgestimmt hat. Baustadtrat Norbert Schmidt (CDU) gibt zu, derzeit wirke die Wand „massiv und brutal“. Das werde sich aber ändern.

Eine „intensive Begrünung“ der Mauer ist in Planung

Zumindest soll die Mauer nicht nur aus den tristen Betonelementen bestehen, die zurzeit an Stahlträger montiert werden: Laut einer Baubeschreibung der Architekten, die Schmidt dem Tagesspiegel sandte, werden alle drei Wände „beidseitig extensiv begrünt“. An einer Stelle, wo die Wand seitlich von der Marshallstraße wegführt, ist eine 8,40 Meter lange und drei Meter hohe Kletterwand geplant. Über diese und andere Vorschläge wie eine Glaswand hatten Vertreter der Kita und des Jugendtreffs vor Monaten mit dem Projektleiter des Investors gesprochen. Dann aber hörten die Betroffenen nichts mehr von den Planern.

Stofanel teilte mit, „verschiedene Ideen der befragten Jugendlichen“ aus „mehreren Workshops“ seien in die Gestaltung eingeflossen. In einem städtebaulichen Vertrag habe die Firma auf Klagen gegen Lärm verzichtet. Dahlemer Bürger hätten „trotzdem die Errichtung einer Schallschutzwand gefordert, um den Erhalt der Skater-Bahn auf Dauer zu gewährleisten“. Daraufhin habe der Bezirk diese „zur Bedingung“ für den Wohnungsbau gemacht. Nach Tagesspiegel-Informationen hatte der Investor dagegen schon vorher im städtebaulichen Vertrag zugesagt, eine Lärmschutzwand zu finanzieren.

Eine Bürgerin hat den Baustadtrat per E-Mail gefragt, warum die vorauseilende Maßnahme überhaupt nötig schien. Schmidt sagt, Sportplätze genössen nicht unbedingt den gleichen Schutz wie Spielplätze mit Rutschen und Wippen.

„Entsetzt“ reagierte das Deutsche Kinderhilfswerk: Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann nannte es einen Skandal, dass „das Wohl von Investoren und Bewohnern von Luxuswohnungen“ Vorrang habe. Dies verstoße klar gegen die UN-Kinderrechtskonvention. An den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) appelliert das Kinderhilfswerk: „Tear down this wall!“

- Die Autoren sind Reporter im Tagesspiegel-Ressort Berlin-Brandenburg. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

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