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Berlin: Wolfgang Krüger, geb. 1926

Bier-Krüger wurde der gelernte Brauer und Berufsschullehrer Wolfgang Krüger genannt. Er war einer, der stolz war auf das Handwerk, ein Mensch mit einer eigenen Note, einer, der bisweilen sehr eigensinnig sein konnte: ein Original.

Bier-Krüger wurde der gelernte Brauer und Berufsschullehrer Wolfgang Krüger genannt. Er war einer, der stolz war auf das Handwerk, ein Mensch mit einer eigenen Note, einer, der bisweilen sehr eigensinnig sein konnte: ein Original.

Der 1,70 Meter große Mann wirkte zunächst eher gemütlich und unscheinbar. Doch Wolfgang Krüger führte in vielerlei Hinsicht ein unkonventionelles Leben.

Beruflich und auch privat galt sein Interesse allem, was mit Bier tun hatte. Er gab als Berufsschullehrer Unterricht in Getränkekunde - und er trank für sein Leben gern Bier. Gutes Bier. Manchmal braute er im Keller eines Freundes "Krüger-Bier" im 15-Liter-Maß. Am besten schmeckte ihm jedoch das Bier in den kleinen Gasthausbrauereien, in denen die Tradition des Bierbrauens noch lebt. Hier war er Stammgast.

Als in den siebziger Jahren immer mehr Brauereien zu Bierfabriken wurden, betrübte ihn das sehr. Die Messingkessel wichen Edelstahl- und Plastikbehältern. Wer heute eine der großen Berliner Brauereien betritt, riecht nichts mehr von der Gärung, sieht weder Hopfen noch Malz.

Berufsschüler, die noch nichts von Bier-Krüger gehört hatten, merkten spätestens am ersten Schultag, dass sie es mit einem ganz besonderen Lehrer zu tun hatten: Anstatt gleich ins Fach einzusteigen und zu unterrichten, ging Krüger mit den Schülern erst einmal auf den Fußballplatz. "Danach", sagt sein ehemaliger Schüler Reinhard Knoop, "waren die Hierarchien geklärt." Denn Wolfgang Krüger, der gern erzählte, dass er während der eigenen Schulzeit in Dresden mit Helmut Schön in einer Mannschaft gespielt hatte, war ein sehr guter Fußballspieler. Das brachte ihm Respekt und Anerkennung der Jungs ein.

Später, als in den Klassen immer häufiger auch Mädchen saßen, wurden die Fußballspiele seltener, die unkonventionellen Lehrmethoden blieben. "Wenn es die Situation ergab, fand der Unterricht auch schon mal mit einer Kiste Bier statt", sagt Braumeister Norbert Klostermann. "Oder er wurde kurzerhand in die nächste Kneipe verlegt." Darüber kam der Lehrstoff allerdings nie zu kurz. "Bei ihm musste man wirklich was tun", sagt Klostermann.

Manchmal rutschten dem Lehrer schon mal ein paar derbere Sprüche heraus. "Wat hast du eigentlich in der Birne?" zum Beispiel. Aber wirklich beleidigen wollte Krüger bestimmt keinen. Eine verhauene Arbeit war bei ihm kein Weltuntergang. Wer ihm zeigte, dass es nur ein Ausrutscher war, bekam eine zweite Chance. Krüger wollte, dass aus seinen Schülern was wird. "Für Wolfgang hörte der Unterricht nicht mit dem Klingeln auf", sagt seine Frau. "Einige wandten sich an ihn, um privaten Rat zu holen. Für die meisten war Wolfgang auch ein Kumpel."

Viele Freundschaften aus dieser Zeit blieben über Jahrzehnte bestehen. Auch später, als Wolfgang Krüger längst pensioniert war, traf man sich in Hausbrauereien oder bei Stehparties in Krügers Wohnung. Bier gehörte natürlich immer dazu. "Es gab kaum einen Tag, an dem er keins getrunken hätte. Doch Wolfgang war kein Alkoholiker. Für ihn gehörte das Bier zur Geselligkeit", sagt seine Frau, die es mit den Gewohnheiten ihres Mannes nicht immer einfach hatte. "Er konnte ganz schön stur sein", sagt sie.

Seine Wohnung in der Ansbacher Straße zum Beispiel, direkt gegenüber dem KaDeWe, wollte er auf keinen Fall aufgeben. So kam es, dass Wolfgang und Renate Krüger auch nach 20 Jahren Ehe zwei getrennte Wohnungen hatten. "Wir waren fast immer zusammen", sagt seine Frau, "aber seine Wohnung war mir einfach zu klein und eine größere wollte er partout nicht. Deshalb habe ich meine Wohnung als Rückzugsmöglichkeit behalten."

Auch gemeinsame Reisen ins Ausland, fanden nur auf nachdrücklichen Wunsch der Frau statt. Er fuhr lieber in die Pfalz, immer an den gleichen Ort. Fast zwanghaft hielt Krüger an seinen Gewohnheiten fest. Er hatte eben keine Lust auf Überraschungen. Nachdem er in Rente gegangen war, erst recht nicht. "Dann machen wir uns mal einen Plan" wurde zum geflügelten Wort. "Abends setzte Wolfgang sich hin und schrieb detailliert auf, was er am nächsten Tag tun wollte", sagt seine Frau. Da stand dann: 1. Frühstücken, 2. Betten machen ... Die Frau hat es gewundert, aber sie ließ ihn gewähren. Und Wolfgang Krüger hatte seine Ruhe. An den Plänen festgehalten hat er dann meistens nicht. Wichtig war es ihm, welche gehabt zu haben.

Im vergangenen Jahr hatte er ein wirklich weitreichendes Projekt beschlossen. Er wollte endlich mit seiner Frau zusammenziehen. "Wir haben einen Garten mit einem Haus in Waidmannslust gepachtet. Dort wollten wir unseren Lebensabend verbringen", sagt sie. Doch dazu kam es nicht mehr. "Als ihm das Bier irgendwann nicht mehr schmeckte, wusste ich, er muss sehr krank sein." Die Ärzte diagnostizierten unheilbaren Krebs.

Ursula Engel

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