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Berlin: Wowereit und Wolf im Doppelpass

Coca-Cola, Universal, SAP oder Anschutz: Bei der Firmen-Ansiedlung ist der Senat überaus erfolgreich – notfalls durch unkonventionelle Hilfen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es ist nicht immer Klaus Wowereit, der die Sachen einfädelt. Der Tipp, dass die Kölner Modemesse „Bread & Butter“ mit Berlin liebäugelte, kam von einer aufmerksamen Mitarbeiterin der Berliner Wirtschaftsverwaltung. Dann rollte die Maschinerie an: Ein Branchenbetreuer wurde auf die jungen Stadtmodemacher angesetzt, die Wirtschaftsfördergesellschaft bot jede Mange Standorte an, bis sich die Brot-und-Butter-Leute in das alte Siemens-Kabelwerk verguckten. Deren Creative Director Kristyan Geyr war nach der Messe im Juli 2003 des Lobes voll: „Ich denke, dass Berlin inzwischen stärker im Focus steht als London. Berlin braucht sich vor Paris oder New York nicht verstecken.“

Ja, inzwischen flutscht es: Coca-Cola hat seine Deutschland-Zentrale in die Hauptstadt verlegt. Der Software-Gigant SAP investiert kräftig; große Unternehmensberatungen zieht es nach Berlin. Europas größte Musikfachmesse Popkomm kommt; Universal, MTV, jetzt auch Warner Music Germany entschieden sich für Berlin. Der amerikanische Milliardär Philip Anschutz baut am Ostbahnhof eine Mehrzweckhalle, das Nationale Olympische Komitee (NOK) will aus Frankfurt/Main an die Spree umziehen und der Bundesnachrichtendienst wird sich in Berlin-Mitte ansiedeln. Weitere Vorhaben, raunt man im Roten Rathaus, seien in Arbeit.

Tue Gutes und sprich zur rechten Zeit darüber, ist das Motto des Regierenden Bürgermeisters. „Wer zu früh an die Öffentlichkeit geht, macht aussichtsreiche Projekte tot“, sagt Wowereit. Er hat zwar immer noch keine Visionen, aber ein ehrgeiziges Ziel: Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, will er in die Stadt holen. Wowereit weiß, dass niemand nach Berlin umsiedelt, weil er so schöne blaue Augen hat. Immer stünden Eigeninteressen im Vordergrund und die müsse man beachten. Deshalb werden Anschutz eine Million Euro Planungskosten zurückerstattet. Deshalb wird dem NOK die ehemalige Berliner Landesvertretung in der Wilhelmstraße günstig angeboten. Deshalb werden EU-Strukturfördermittel mobilisiert und „natürliche“ Standortvorteile ausgenutzt: Die vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten und Gewerbemieten in Berlin; das reiche Kulturangebot; ein spannendes Nachtleben; viele Kita-Plätze usw.

„Strenge Kundenorientierung“ lautet das Zauberwort. Und – Berlin setzt auf die Sogwirkung, wenn Marktführer nach Berlin kommen. Die Modebranche wird Düsseldorf und Köln untreu; wichtige Teile der Musikbranche konzentrieren sich an der Spree. Der Regierende kümmert sich selbst, wo es Sinn macht. Manche Vorstände, auch Künstler, Mode-, Musik- und Filmleute rufen zuerst ihn an, weil er politisches Gewicht hat oder weil sie ihn persönlich kennen. Dann summt der gute Draht. Der Kontakt „von-Mensch-zu Mensch“, den Wowereit intensiv pflegt, kommt den Unternehmensvorständen und geschäftstüchtigen Kreativen sehr entgegen.

Der fleißige, aber kühle und zurückhaltende Wirtschaftssenator Harald Wolf könnte darüber eifersüchtig sein; aber er tut es nicht. Eher sind es die Beamten in der Wirtschaftsverwaltung, die eine Neuansiedlung mit eingetütet haben und deren Eitelkeit leidet, wenn Regierungschef Wowereit das Ergebnis harter Behördenarbeit am Ende selbst glanzvoll präsentiert. Auch Wolfs Amtsvorgänger Gregor Gysi musste manchmal zurückstehen. Zum Beispiel, als SAP-Chef Hasso Plattner im April 2002 Wert darauf legte, mit Wowereit die Erweiterung des Berliner Standorts öffentlich zu verkünden. Auch neben der neuen Gillette-Montagelinie hat sich Wowereit gut gelaunt aufgebaut und als Nassrasierer geoutet.

So manches fruchtbringende Gespräch kommt bei den vielen Reisen des Regierenden Bürgermeisters zustande. Sei es in New York oder Los Angeles; die baltischen Staaten – wichtige Nachbarn Berlins – hat er im August demonstrativ gemeinsam mit Wirtschaftssenator Wolf besucht. Zwischen den beiden läuft alles auf Zuruf. Der eine informiert den anderen, wenn was im Busch ist. An missglückten Doppelpässen zwischen dem PDS-Mann Wolf und dem Sozialdemokraten Wowereit ist bislang keine Ansiedlung gescheitert. Beide kennen sich seit vielen Jahren; zuerst aus der parlamentarischen Arbeit im Hauptausschuss, und reden fast nur Gutes übereinander. „Wowereit ist auch zu clever, um sich auf Rangeleien einzulassen“, heißt es in seiner Umgebung.

Und sobald es darum geht, ein Grundstück zu finden, Fördermittel zu mobilisieren und Genehmigungen einzuholen, zieht sich die Senatskanzlei ohnehin dezent zurück. Dann muss sich die neue „Anlauf- und Koordinierungsstelle für Unternehmen“, kurz ZAK genannt, bewähren. Dann kommen die Bezirke und andere Senatsressorts mit ins Spiel, was zu zähen Mitzeichnungsverfahren führen kann. Aber nach anfänglichen Reibungsverlusten hat sich die Ansiedlungsbürokratie eingespielt. Der Regierende schaltet sich in der Regel nur beim ersten Kontakt und bei den Schlussverhandlungen ein. Mal als Charmeur, mal als beinharter Unterhändler. Beides kann er. Einmal hatte ein Investor dem Wirtschaftssenator Wolf schon abgesagt. Drei Tage später rief er bei Wowereit an: „Wir kommen doch.“ Dann freuen sich alle. „Wohlgeratene Kinder haben viele Väter“, ist der Lieblingsspruch des Wirtschafts-Staatssekretärs Volkmar Strauch.

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