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Sein Revier. 23 Straftaten soll P. alleine in diesem Jahr begangen haben.

© Paul Zinken

Wrangelstraße: Kreuzberger Kiez-Terrorist in Haft

Coskun P. terrorisierte wochenlang sein Viertel rund um die Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg. Am Freitag zog die Polizei ihn aus dem Verkehr. Die Nachbarn können aufatmen - zumindest vorerst.

Wenn Coskun P. durch die Wrangelstraße in Kreuzberg flanierte, grüßten ihn die Anwohner höflich. Aus Angst. Denn wenn der 33-Jährige in „seinem“ Kiez nicht bekam, was er wollte, gab es schnell Ärger. So erzählen es die Betreiber einiger Bars und Cafés dort. Doch nun ist dem Treiben vorerst ein Ende gesetzt: Am späten Freitagnachmittag vollstreckte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei einen Haftbefehl gegen P., am heutigen Sonnabend soll er einem Richter vorgeführt werden. Damit, so ein Beamter, dürfte er bis auf Weiteres in U-Haft sitzen – und die Menschen in seinem Viertel können aufatmen.

15 Straftaten, so die Polizei, soll P. alleine in den vergangenen Wochen begangen haben, darunter gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Zuletzt soll er in der Nacht zum 25. Juli mehrere Passanten in der Görlitzer Straße angegriffen und verletzt haben - einem Opfer hat er nach bisherigen Erkenntnissen mit einem Messer Schnittverletzungen zugefügt.

Dass es so lange dauerte und P. trotz zahlreicher Straftaten so lange auf freiem Fuß blieb, hat damit zu tun, dass er offenbar psychisch krank ist. Strafrechtlich, so hieß es immer wieder, könne er nicht belangt werden: Er handele schuldlos, wenn er seine Sinne selbst nicht unter Kontrolle hat. Zuständig für einen psychisch Kranken sind die Zivilgerichte. Die können Coskun P. zwangsweise in einer geschlossenen Klinik „unterbringen“, wenn er eine Gefahr für andere darstellt. "Aber der Gesetzgeber stellt hier mit gutem Grund sehr hohe Anforderungen, bevor man einen Menschen wegschließen darf", sagt Ulrich Wimmer, Sprecher der Berliner Zivilgerichte. Laut Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) muss der Kranke besonders bedeutende Rechtsgüter erheblich gefährden. Dazu ist der Nachweis nötig, dass die Gefahr gerade wegen der Krankheit besteht. Ob ein Verfahren zur Unterbringung von Coskun P. bereits läuft, darf Wimmer nicht kommentieren, da die Verfahren in diesen Fällen nichtöffentlich sind.

In seinem Viertel führte das ungehinderte Treiben von P. dazu, dass sich niemand mit ihm anlegen wollte. Nur im Schutz der Anonymität berichtete einer der Ladenbesitzer, wie Coskun P. im Kiez seinen Willen durchsetzte: „Wenn er im Selbstbedienungsladen bedient werden will, zückt er sein Messer.“ P. habe gedroht, geschrien, randaliert und sei handgreiflich geworden. „Meine Mitarbeiter hatten Panik“, sagt der Mann. Nicht jeder Anwohner in der Wrangelstraße hatte schon Stress mit P. Aber jeder kennt ihn.

Auch die Polizei kennt P. nur zu gut. 23 Straftaten hat er laut Polizei allein in diesem Jahr schon begangen. Mit 15 soll er das erste Mal straffällig geworden sein. Dann, vergangene Woche, eskalierte die Situation vollends. Auf offener Straße schlägt P. zwei Passanten mit der flachen Hand ins Gesicht. Verletzt sie mit seinem Messer. Eine Frau schubst er vom Rad und schlägt mit dem Gürtel auf sie ein. So steht es später im Polizeibericht. Die Beamten können ihn schnappen. Doch nur einen Tag später war P. bereits wieder auf freiem Fuß. Den Anwohnern reichte es.

„Ich habe mich mit einem Brief an Wowereit, den Innensenator, den Polizeipräsidenten, die Staatsanwaltschaft und die Bezirksbürgermeisterin gewandt“, erklärte der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, kurz vor P.s Verhaftung. In dem Schreiben drückt er seine Fassungslosigkeit darüber aus, dass P. „Gewalt und Gewaltbedrohung ausüben kann, ohne dass dies Folgen für ihn hat beziehungsweise ohne dass wir in einer irgendeiner Weise geschützt werden.“ Das scheint sich nun geändert zu haben.

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