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Berlin: Würstchen Adolf

Die Ausstellung von Hitler-Karikaturen des Zeichners Achim Greser erregt Widerspruch

Von Lars von Törne

Für Joachim C. Fest war der Fall klar. Als der Cartoonist Achim Greser den Historiker bei einem Empfang fragte, ob man über Hitler Witze machen dürfe, sagte der nur kategorisch „Nein!“ und schritt entrüstet davon. So beschreibt es zumindest der Autor und Satiriker Wiglaf Droste in seiner Laudatio zu Gresers Hitler-Zyklus, der jetzt für sechs Wochen in der Galerie Cartoonfabrik in Mitte ausgestellt ist. Was dort zu sehen ist, ist zwar nicht ganz neu, hat aber immer noch das Zeug zum Konfliktstoff. Denn Gresers Tuschezeichnungen, die in den späten Neunzigern in der Zeitschrift „Titanic“ erschienen und seit zwei Jahren als Wanderausstellung durchs Land touren, sind eine wohl kalkulierte Provokation.

Zum Beispiel die Badeszene. Ein dürres Männchen mit Schnurrbart und Seitenscheitel steht auf einem Steg am Badesee. Auf seinen Schwimmflügeln Hakenkreuze. Zögerlich beugt er sich nach vorn. Da grölen ihm seine Kumpels Göring, Goebbels und Himmler vom Wasser aus zu: „Arschbombe, Adolf!“ Das ist der Stil von Achim Greser: Respektlos veralbert er in seinen Cartoons den Mann, der Millionen von Menschenleben auf seinem Gewissen hat. Ob beim Staubsaugen, beim Onanieren oder beim Singen von Weihnachtsliedern: Adolf Hitler kommt bei dem 41-jährigen Frankfurter Zeichner nicht als Monster, sondern als lächerliches, komplexbeladenes Kerlchen daher. Das gefällt Freunden respektloser Satire. „Er zeigt uns Hitler als Würstchen“, lobt Wiglaf Droste. Dessen Lächerlichkeit „blamiert eben nicht seine Opfer, sondern im Gegenteil die Millionen von Hitler-Anhängern.“ Dem nahe ligenden Einwand von Relativierung und Verharmlosung der NS-Verbrechen hält Droste entgegen: „Hitlers Opfer sind Opfer seiner Vernichtungsmaschinerie, nicht Opfer der Privatperson Hitler.“

In Berlin provozieren die bunten Cartoons, die seit Freitag in der Auguststraße zu sehen sind, Widerspruch. Vor allem bei denjenigen, die sich seit langem ernsthaft mit der NS-Geschichte auseinander setzen. „Diese banalen, blödsinnigen Karikaturen werden der Person Hitler nicht gerecht“, ärgert sich zum Beispiel Norbert Kampe, Leiter der Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“. Gemeinsam mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung hat seine Gedenkstätte vor genau einem Jahr die Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht im historischen jüdischen Viertel in Mitte präsentiert – nur wenige Häuser neben der Galerie, in der jetzt Gresers Bilder hängen. Für den Historiker Kampe sind die Cartoons nichts weiter als ein „verkrampfter Tabubruch“. Das Ansinnen des Zeichners, Adolf Hitler zu entzaubern, indem er ihn als eine lächerliche Figur zeigt, findet Kampe schlicht „geschmacklos“, vielleicht gar verharmlosend: „Hitler wird als Trottel dargestellt und so vermenschlicht.“

Auch Andreas Nachama, Geschäftsführer der Dokumentationsstelle „Topographie des Terrors“, hält Gresers Zeichnungen für „niveaulose Machwerke“. Der Zeichner löse den Anspruch nicht ein, Hitler in seiner Lächerlichkeit vorzuführen. „Die Bilder sind nichts als simple Kalauer“, sagt der Rabbiner und frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Hitler respektlos zu zeigen und so zu demaskieren, sei Künstlern wie Charlie Chaplin oder John Heartfield gelungen, sagt Nachama. Gresers Zeichnungen in eine Reihe mit diesen Hitler-Karikaturen zu stellen, wie es der Verlag in seiner Werbung tut, sei „vermessen“.

Gemischte Gefühle hat auch Gresers Zeichnerkollege Rainer Hachfeld. „Einige Zeichnungen sind sehr witzig und treffen ins Schwarze, andere können durchaus die Gefühle der Opfer und ihrer Angehörigen verletzen“, sagt der Berliner Karikaturist und Autor. Er selbst habe in seinen Zeichnungen Hitler höchstens mal als jemanden gezeichnet, der in der Hölle schmort, nie als Alltagsfigur. Das sei die Gefahr bei Gresers Ansatz: „Wer Hitler als menschlichen Trottel darstellt, lässt ihn dadurch fast sympathisch wirken.“

Greser, der mit seinem Kollegen Heribert Lenz die legendäre Figur „Genschman“ schuf und seit einigen Jahren auch für die Politikseiten der FAZ zeichnet, versteht die Aufregung nicht. „Natürlich wollte ich an Tabus rütteln und moralische Verbote antasten“, sagt er. Aber eben mit aufklärerischem Impetus, nicht um den Schrecken zu verniedlichen. Da sieht er sich in der Tradition von Zeichnern der „Neuen Frankfurter Schule“ wie F.K. Waechter oder Eckard Henscheid, die sein politisches Weltbild geprägt haben. Gresers erste Hitler-Cartoons entstanden 1995 als Reaktion auf die Erinnerungswelle zum 50. Jahrestag des Kriegsendes: Von diesem „Rummel“, wie er sagt, fühlte er sich schlicht belästigt. Auch verstand er nicht, wieso Angehörige seiner Generation fünf Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes „immer noch in Sack und Asche rumlaufen“ sollten. Da lag es für ihn als Satiriker nahe, sich dem „Gespenst“ Hitler auf einer bislang wenig behandelten Ebene zu nähern, ungetrübt von Kategorien der politischen Korrektheit. „2000 Jahre hat es gedauert, bis Peter Ustinov sich ungestraft über die Figur des trotteligen Kaisers Nero lustig machen durfte – so lange wollte ich nicht warten.“

„Der Führer privat“, bis 29. Dezember in der Cartoonfabrik, Auguststraße 83, Mitte. Geöffnet: mittwochs bis sonntags 14-19 Uhr. Katalog (Edition Tiamat) 14,90 Euro.

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