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Hier soll nicht jeder einfach so reinlaufen: der Eingang zur Polizeiakademie in der Spandauer Radelandstraße.

© Kai-Uwe Heinrich

Schwarzarbeit bei Sicherheitsfirma: Wurde die Berliner Polizei von Kriminellen bewacht?

Der Zoll hat eine Firma durchsucht, die Polizeigebäude bewacht hat. Ein Vermögen von fünf Millionen Euro wurde sichergestellt. Darunter auch Luxusautos.

In der Berliner Polizei macht ein peinlicher Verdacht die Runde. Der Grund: Polizisten müssen wegen des Insolvenzverfahrens einer privaten Sicherheitsfirma wieder selbst Liegenschaften der Berliner Polizei bewachen und werden dafür vom regulären Dienst abgezogen. In der Behörde fragt man sich nun: Wurde die Polizei von der Firma eines Kriminellen bewacht? Auch Gebäude von Feuerwehr und Justiz sind betroffen.

Am 8. April ordnete das Amtsgericht Kiel ein Insolvenzverfahren für die Sicherheitsfirma an. Seither wurden Mitarbeiter der Firma und Subunternehmen zunehmend abgezogen, die Polizei Berlin hat Notfallpläne ausgearbeitet.

Vier Tage vor der Anordnung des Insolvenzverfahrens durchsuchten 285 Zöllnerinnen und Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hamburg insgesamt 15 Objekte, vorwiegend in Hamburg, aber auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen – und in Berlin. In der Hauptstadt wurden eine Wohnung und die Geschäftsräume eines Subunternehmens durchsucht.

Im Visier der Ermittler: Der in Hamburg wohnende Chef des Unternehmens, das im Auftrag des Landes Berlin Behörden bewacht hat, und weitere Mittäter. Der 36-Jährige Firmenboss, der dem Tagesspiegel namentlich bekannt ist, steht im Verdacht, seit Oktober 2017 Arbeitsentgelte vorenthalten und veruntreut zu haben.

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Betroffen sind mindestens 100 bereits bekannte Arbeitnehmer, die als Sicherheitskräfte eingesetzt wurden, für die er zudem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben soll. Zoll und Staatsanwaltschaft gehen von weiteren noch nicht identifizierten Arbeitnehmern aus. Zudem steht die Firma im Verdacht, zeitweise mit eingebuchten Abdeckrechnungen Lohnzahlungen verschleiert zu haben.

860.000 Euro und Luxusautos beschlagnahmt

Die Ermittler stellten Vermögen per Arrestbeschluss in Höhe von fünf Millionen Euro sicher. Sie beschlagnahmten 60.000 Euro in bar, 800.000 Euro auf Konten und Autos im Wert von 340.000 Euro, darunter drei Luxusautos, wie der Zoll mitteilte. Ein Foto zeigt, wie ein Bentley von den Ermittlern abgeholt wurde. Ansonsten stellten sie Stundenaufzeichnungen, Notizzettel, Rechnungen und Teile der Lohn- und Finanzbuchhaltung, Computer, Tablets und Handys sicher.

Drei Luxusautos wurden beschlagnahmt.

© Hauptzollamt Hamburg

Im Auftrag des landeseigenen Berliner Immobiliendienstleisters BIM war die Firma auch in Berlin tätig, bei insgesamt 13 Liegenschaften von Behörden des Landes Berlin war die Firma als Wachschutz eingesetzt.

Nun müssen Berliner Polizisten die eigenen Gebäude selbst bewachen. Betroffen sind zwei der fünf örtlichen Direktionen sowie zwei Liegenschaften für Aus- und Fortbildung, darunter die Polizeiakademie in der Radelandstraße in Spandau. Dort wurden etwa Beamte einer Einsatzhundertschaft an der Einfahrtsschranke als Wachdienst gesichtet. Wie viele Beamte für den Wachschutz abgezogen wurden und für wie lange, konnte die Polizei nicht sagen.

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„Dafür bilden wir Kollegen nicht zwei, drei Jahre aus“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Es ist nicht so, dass unsere Bereitschaftspolizei nicht andere Sachen zu tun hat.“ Die GdP fordert, dass der Staat selbst staatliche Institutionen schützen muss – etwa durch den Zentralen Objektschutz (ZOS) der Polizei. Nur so könne die Qualität sichergestellt werden – und „wir wissen wirklich, wer vor den Liegenschaften der Polizei steht und in welchem Umfang dem Auftrag nachgegangen wird“.

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Tom Schreiber, Vizechef und Innenexperte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte: „Sicherheitsrelevante Liegenschaften muss der Staat selber absichern. Dafür gibt es den ZOS.“ Dieser müsse in Berlin strategisch ausgebaut werden, damit nicht Polizeivollzugskräfte die Objekte bewachen müssen. „Das kostet Geld, ist aber so“, sagte Schreiber.

Besagter ZOS ist bisher nicht für die Bewachung von Polizeigebäuden zuständig, wie eine Sprecherin erklärte. In den meisten Fällen übernähmen andere Firmen interimsweise den Wachschutz – „und an einigen Dienststellen der Polizei deren Dienstkräfte“, sagte eine BIM-Sprecherin. Parallel werde an einer Neuvergabe des Auftrags gearbeitet.

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