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Wustermark: Widerstand gegen Gaskraftwerk formiert sich

Das geplante Kraftwerk soll 2017 in Betrieb genommen werden. Während der Investor mit Arbeitsplätzen für die Stadt wirbt, fürchten Anwohner bereits Lärm und Abgase. Eine Bürgerinitiative will das Projekt verhindern - die zwei Turbinen seien einfach zu groß.

Die Investoren sehen es als Segen, die Anwohner als Fluch: Das Gaskraftwerk, das in Wustermark vor den Toren von Berlin-Spandau entstehen soll. Im Jahre 2017 wollen die Investoren die beiden Gasturbinen in Betrieb setzen, um aus Erdgas Strom für 1,5 Millionen Haushalte zu produzieren. Doch dem Vorhaben schlägt Widerstand entgegen. Eine mehr als 1500 Mitglieder zählende Bürgerinitiative will das Projekt unbedingt verhindern. Auch das benachbarte Falkensee und der Bezirk Spandau lehnen das Kraftwerk wegen der befürchteten Abgase rundweg ab. Allerdings dürfte insbesondere das 15 Kilometer entfernte Spandau keine Chance haben, denn Gas verbrennt relativ sauber und wird ohne viel Lärm und Dreck per Pipeline angeliefert. Auch die Umweltverwaltung des Berliner Senats sieht keinen Anlass, aktiv zu werden.

„Das Kraftwerk mit seinen 65 Meter hohen Kühltürmen würde einfach viel zu nahe an den ersten Häusern unseres Ortes stehen“, sagt Michaela Better, Sprecherin der Bürgerinitiative gegen das Gaskraftwerk. „Gerade 420 Meter liegen auf den Plänen zwischen dem Industriegelände und den Grundstücken auf der Zeestower Straße.“ Deshalb sei die Lärmbelastung durch die pfeifenden Geräusche der Turbine zu groß, zumal Wustermark und die angrenzenden Orte durch den Krach vom Berliner Autobahnring, der Bundesstraße 5 und der ICE-Trasse schon genug zu leiden hätten.

Die skeptischen Bürger, die sich durch Aufkleber „Kein Gaskraftwerk in Wustermark“ an ihren Autos zu erkennen geben, führen die Lärmbelästigung vor allem auf die geplanten Dimensionen zurück. Zwei Turbinen mit insgesamt 1200 Megawatt Leistung seien einfach zu riesig und obendrein gefährlich, heißt es. Unüberhörbar ist dabei die Vermutung, dass hier ein verkehrsgünstig erreichbares Referenzobjekt für Turbinen- und Kraftwerksbauer entstehen solle. „Wenn man schon solche Gaskraftwerke errichten will, würden sie doch in den Lausitzer Tagebaugebieten einen viel größeren Nutzen erzielen“, meint Sprecherin Better. Dort wolle man schließlich schrittweise weg von der Kohle und brauche einen Ersatz für die Arbeitsplätze. Die könnten beim Bau kleinerer Gaskraftwerke entstehen.

Doch die Entscheidung für Wustermark fiel bewusst. Das dortige Güterverkehrszentrum (GVZ), in dem die Ladung von großen auf kleine Lastwagen sowie vom Schiff auf die Straße umgeschlagen werden sollte, dümpelt buchstäblich vor sich hin. Fast der gesamte Verkehr konzentriert sich auf das weiter östlich und damit näher am Flughafen Schönefeld gelegene GVZ in Großbeeren, das schier aus den Nähten platzt. Während sich dort immer neue Unternehmen ansiedeln, stöhnt Wustermark unter einer Schuldenlast von rund 15 Millionen Euro. In dieser Situation kam dem einstigen Bürgermeister Bernd Drees die Idee mit dem Kraftwerk, dessen Steuern der 8200-Seelen-Gemeinde helfen würden. Aber sowohl seine SPD-Genossen als auch die Mehrzahl der Einwohner verweigerten ihm die Gefolgschaft. Der neue Mann auf dem Bürgermeisterstuhl, Holger Schreiber, will jetzt die Einwohner zum Kraftwerk befragen.

Der Investor Wustermark Energie, hinter der die Schweizer Advanced Power AG und eine Tochter des Siemens-Konzerns stehen, verspricht große wirtschaftliche Effekte des 640-Millionen-Euro-Projekts: 2500 Arbeitsplätze während der Bauzeit, danach 50 direkte und 161 indirekte Jobs. Hinzu kämen bis 2035 Steuereinnahmen von 175 Millionen Euro für Bund, Land und Kommunen. Mit 74 Millionen Euro verbleibe der größte Brocken in Wustermark, heißt es.

Zu den Befürwortern gehören neben der Industrie- und Handelskammer auch das Brandenburger Wirtschaftsministerium, das insbesondere die hohe Flexibilität in der Stromerzeugung eines derartigen Kraftwerks lobt. Die macht es nach Auskunft von Folker Siegmund, Geschäftsführer von Wustermark Energie, zum „Gegengewicht für erneuerbare Energien“, das wetterbedingte Leistungsschwankungen von Windrädern und Solaranlagen ausgleiche.

Der Spandauer SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, Energieexperte seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus, lehnt das Konzept dennoch ab: Ein Kraftwerk für reine Stromproduktion ohne Fernwärmegewinnung („Kraft-Wärme-Kopplung“, KWK) sei nicht mehr zeitgemäß, das Gas als Rohstoff dafür zu schade. Tatsächlich lässt sich durch KWK die Energieausbeute von etwa 60 auf mehr als 90 Prozent steigern; auch ein Experte beim Umweltbundesamt bezeichnet KWK als „wünschenswert“. Siegmund sagt, man prüfe diese Option und schaue sich nach geeigneten Abnehmern für die Wärme um, aber große Hoffnung macht er nicht.

Bis zum März läuft das Raumordnungsverfahren, in dem alle Betroffenen ihre Bedenken äußern können. Die Bürgerinitiative plant noch zahlreiche Aktionen gegen die Anlagepläne.

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