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Berlin: Zehn Jahre Talfahrt

Die wirtschaftliche Kluft zwischen Berlin und Bund wächst. Grüne befürchten mehr Pleiten wie Samsung

Zum Feiern ist bei diesem Jubiläum keinem zu Mute. Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass sich die Wirtschaftsentwicklung Berlins vom Bundestrend abkoppelte. Nachdem sich Bund und Land bis 1995 parallel entwickelt hatten, litt Berlin in den Folgejahren weit mehr unter dem allgemeinen Einbruch in der Industrie und beim Bau sowie Einsparungen im öffentlichen Dienst als Deutschland insgesamt. Das illustrieren zusammenfassende Zahlen des Statistischen Landesamtes, die Behördenchefin Ulrike Rockmann und ihr Stellvertreter Klaus Voy am Donnerstag zusammen mit dem Statistischen Jahrbuch 2005 präsentierten.

Die Negativentwicklung bei den Beschäftigtenzahlen scheint nicht aufzuhalten zu sein. Innerhalb eines Jahres hat Berlin erneut 30 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Im September wurden nur noch 1,024 Millionen reguläre Beschäftigungsverhältnisse gezählt. Im Vergleichsmonat des Vorjahres waren es 1,054 Millionen. Christoph Lang, Sprecher der Wirtschaftsverwaltung, verweist zwar darauf, dass dieses ein Bundestrend ist und im gesamten Land rund 300 000 reguläre Arbeitsplätze abgebaut wurden. Bundesweit macht das rund 1,4 Prozent aus.

In Berlin aber geht der Abbau doppelt so schnell voran; und vor allem zieht er sich schon über einen viel längeren Zeitraum hin. Denn in den vergangenen zehn Jahren sind dies insgesamt rund 200 000 Stellen. Lang führt das vor allem auf den Strukturwandel zurück, den die Stadt seit der Wende durchmacht. Lediglich das Ruhrgebiet habe eine solche Entwicklung durchmachen müssen, dies aber über einen viel längeren Zeitraum und durch massive Subventionen abgefedert. So sagt auch Dieter Scholz, der DGB-Vorsitzende von Berlin-Brandenburg: „Es war einer der schwersten Fehler der Politik, den Zusammenbruch von Industriebetrieben als unvermeidlichen Strukturwandel hinzunehmen.“ Dieser sei seinerzeit sogar als Zeichen für die Entwicklung Berlins zur Dienstleistungsmetropole begrüßt worden.

Die CDU sieht in der zunehmenden Diskrepanz zwischen bundesweiter und Berliner Wirtschaftsentwicklung einen Beleg für das „wirtschaftspolitische Versagen“ des rot-roten Senats. „Jetzt rächt sich, dass Wirtschaftssenator Wolf und der Regierende Bürgermeister Wowereit keine Rezepte für eine zukunftsfähige Industriepolitik haben, die den Forschungsstandort mit dem Industriepotenzial der Stadt verknüpft“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stephan Tromp. Dass der Negativtrend bereits seit zehn Jahren anhält und zu Zeiten der SPD-CDU-Koalition begann, ließ er allerdings unerwähnt. Die Grünen befürchten, dass Senat und Öffentlichkeit auch künftig davon überrascht werden, dass mit Steuergeld geförderte Unternehmen geschlossen werden, wie es derzeit dem Samsung- Werk in Oberschöneweide bevorsteht. Aus einer Antwort der Senatswirtschaftsverwaltung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Wirtschaftspolitikerin Lisa Paus geht hervor, dass die Landesregierung nicht vorhat, den Zeitraum zu verlängern, für den sich geförderte Unternehmen zum Erhalt von Arbeitsplätzen verpflichten. Diese Frist liegt bei fünf Jahren. In diesem Jahr läuft die Bindung bei 370 Berliner Unternehmen aus, im kommenden Jahr bei 464. (Seite 1 und Meinungsseite)

Informationen zum Statistischen Jahrbuch 2005 im Internet unter www.statistik-berlin.de. Buch bzw. CD können für je 30 Euro bestellt werden beim Statistischen Landesamt, Vertrieb, Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin, Telefax: 9021-3655

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