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Berlin: Zeitreise per App

Beim Besuch der Jüdischen Friedhöfe informiert jetzt das Smartphone über Gräber und Geschichte.

„Liebe macht das Leid unsterblich“, steht auf dem Grabstein des Komponisten Louis Lewandowski und seiner Frau Helene. Die Kinder haben den Grabstein 1894 errichtet und ihn „unseren geliebten Eltern“ gewidmet. Die Lewandowskis haben ihre letzte Ruhe auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee gefunden. Mit seinen 42 Hektar und 115 000 Gräbern ist es der größte jüdische Friedhof in Europa. Das Grab der Lewandowskis ist die Nummer 2 auf einem neuen Rundgang, den die Jüdische Gemeinde für den Friedhof entwickelt hat. Der Rundgang dauert vier Stunden und führt zu 81 Grabmälern von prominenten Künstlern und Philosophen, Architekten und Unternehmern wie dem Hotelier Berthold Kempinski oder den Verlegern Rudolf Mosse und Samuel Fischer. „Hier spiegelt sich der große kulturelle Beitrag der jüdischen Bevölkerung zur Entwicklung Berlins“, sagte Landeskonservator Jörg Haspel bei der Vorstellung des Rundgangs am Mittwoch. „Hier liegt das gesamte wirtschaftliche Aufblühen unserer Stadt im 19. Jahrhundert“, brachte es Dirk Kroegel, im Senat für die Religionsgemeinschaften zuständig, auf den Punkt. „Der Friedhof betrifft deshalb alle Berliner“.

Das Besondere an der Tour, die die Jüdische Gemeinde mit Unterstützung der Deutschen Klassenlotterie und des Landesdenkmalamtes erarbeitet hat: Sie lässt sich nicht nur anhand einer Broschüre nachvollziehen, sondern auch als GPS-Leitsystem kostenlos aufs Smartphone herunterladen. Eine Tafel mit dem Hinweis auf die Internetseite www.juedische-friedhoefe-berlin.de und dem QR-Code zum Runterladen befindet sich am Eingang des Friedhofs an der Herbert-Baum-Straße.

Über den Hotelier Kempinski, Nummer 62 auf dem Rundgang, erfährt man etwa, dass er in seinem luxuriösen Restaurant auf vier Etagen an manchen Tagen bis zu 10 000 Gäste bewirtet hat – mit Krebsen, Hummer, Kaviar. Das neue Leitsystem gibt es für den Friedhof Weißensee und die nicht mehr genutzten jüdischen Friedhöfe an der Schönhauser Allee und an der Großen Hamburger Straße. Es führt zu 160 Gräbern und informiert über das Leben der Verstorbenen.

Die Verehrung der Toten sei bei den Juden enorm wichtig, sagte Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Er freute sich, dass auch immer mehr nicht-jüdische Besucher zu den jüdischen Friedhöfen kämen – besonders auf den in Weißensee. 2005 hatte die Jüdische Gemeinde beim Senat angeregt, den Friedhof im Nordosten der Stadt auf die Unesco-Liste der Weltkulturerbestätten zu bringen. Seitdem wurden Grabanlagen und die kilometerlange Mauer saniert, auch mit Mitteln des Landes und des Bundes. Jetzt sei der Friedhof in einem „ausgezeichneten Zustand“, lobte Landeskonservator Haspel. Im August will der Senat die Nekropole der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) zur Aufnahme in die Weltkulturerbe-Liste vorschlagen; die KMK wählt aus den deutschen Vorschlägen die interessantesten aus und reicht die Auswahl 2013 bei der Unesco in Paris ein. Dort wird in einem mehrere Jahre dauernden Prozess über die Aufnahme als Weltkulturerbe entschieden. Landeskonservator Haspel glaubt, dass der Jüdische Friedhof Weißensee „sehr gute Aussichten“ hat, den Status zu erhalten. Claudia Keller

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