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Berlin: Zimmer mit Aussicht

Der Brand in der Crellestraße hat viel verwüstet Die Stimmung der Bewohner ist dennoch gelassen

Gerdlin Friedrichs 6-Zimmer-Wohnung im vierten Stock bietet ein Bild der Verwüstung. Obwohl es bei ihr nicht gebrannt hat, sind die Räume ruiniert. Die Matratzen der Betten sind mit Löschwasser vollgesogen, im Arbeitszimmer ist die Decke heruntergekommen, und über Akten und Büchern liegt eine dicke Schicht aus Ruß und Asche. „Alles dahin“, sagt Friedrich. So richtig realisiert hat sie das Ereignis wohl noch nicht.

In der Flurdecke klaffen große Löcher, Tageslicht fällt in die Wohnung in der Schöneberger Crellestraße. Der darüberliegende Dachboden ist am Montag komplett ausgebrannt, jetzt ragen dort verkohlte Dachbalken in den Himmel. Wer zwischen ihnen entlanggeht, spürt noch immer die Hitze. Brandgeruch hängt in der Luft, wie überall in dem großzügigen Jahrhundertwende-Haus, in dem Gerdlin Friedrich seit 30 Jahren wohnt. Im Moment ist sie gegenüber bei Freunden untergekommen.

Ihre Bücher, ihre Möbel, die vielen liebevoll zusammengesammelten Antiquitäten — Friedrich wird sie auslagern müssen, bis die Renovierungsarbeiten abgeschlossen sind. Zunächst werde das Haus eingerüstet und provisorisch überdacht, erklärt ein Sprecher der Hausverwaltung. Dann müssten die vollgesogenen Holzbalkendecken erst abgestützt und dann getrocknet werden. Ein halbes bis dreiviertel Jahr werde es dauern, bis alles wiederhergestellt sei. Bis dahin kommen die Mieter bei Freunden, Verwandten oder in Ausweichwohnungen unter. Mieter der weniger betroffenen Wohnungen in den unteren Stockwerken könnten aber schon früher zurück in ihr Zuhause, heißt es. Derzeit sind Strom und Gas abgestellt, die Wohnungstüren wieder verschlossen.

Als erstes aber, so der Sprecher, werde ein Schutzdach errichtet, das Passanten vor herabfallenden Fassadenteilen schützt. Noch steht ein Drahtzaun um das Doppelgebäude mit den Hausnummern 38/39. Asche liegt herum, verkokelte Aktenordner, Schutt. Eine Bewohnerin hebt einen verschnörkelten Stuckbrocken auf: „Unsere schöne Fassade“, sagt sie traurig. Auch in der 170-Quadratmeter-Wohnung im dritten Stock, in der die Endvierzigerin mit ihrem Mann, zwei Kindern und drei Meerschweinchen lebt, wellen sich die Dielen, hat das Löschwasser Flecken an den Wänden hinterlassen. Die Kugellampe im Bad sei voll Wasser gewesen, sagt sie. Sogar die Glühbirne.

Eigentlich aber sei man glimpflich davongekommen. Richtig ausgebrannt sei ja nur eine Wohnung im vierten Stockwerk der Nummer 39. Vor allem war das Dach vom Feuer betroffen, die übrigen Schäden hat das Wasser verursacht — es hat ein paar Stunden gedauert, bis es auch in den Erdgeschosswohnungen von den Decken regnete.

Gut, dass er eine Hausratversicherung habe, sagt ein Bewohner. „Unsere Wohnung wird bestimmt schöner als vorher!“ Die Hausverwaltung habe sich „super verhalten“. Und auch die Feuerwehr habe toll gearbeitet: Möbel und Elektrogeräte abgedeckt, das Klavier von der Wand gerückt, sogar beim Packen geholfen. Gerade gehen Gutachter der Gebäudeversicherung durchs Haus. „Wenn hier alles wiederhergestellt ist“, sagt Gerdlin Friedrich zu einer Nachbarin, „dann feiern wir ein riesiges Fest!“ Jan Oberländer

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