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Berlin: Zivilcourage gezeigt – und halbtot geschlagen

Ein Mann wurde in der Nacht zu Donnerstag für seine Zivilcourage brutal bestraft.

Zwei Betrunkene schlugen den 42-Jährigen, der in einer Straßenbahn einen Streit schlichten wollte, zusammen und verletzten ihn lebensgefährlich. Die Täter, 16 und 23 Jahre alte Brüder, hatten zunächst auf einen Fahrgast eingeschlagen. Als der 42-Jährige sie aufforderte, damit aufzuhören, wandten sie sich von ihrem Opfer ab und griffen den Helfer unvermittelt und mit äußerster Brutalität an, traten ihm mit Schwung mit den Schuhen ins Gesicht. Die Gewalttäter konnten kurz danach festgenomen werden – und sind wieder auf freiem Fuß. „Es gab keine Tötungsabsicht“, hieß es. Die Polizei befürchtet nach dieser Attacke, dass noch weniger Menschen bereit sind, anderen bei Überfällen beizustehen.

Die beiden Brüder sind der Polizei seit langem als Straftäter bekannt, vor allem wegen schwerer Körperverletzungsdelikte. Sie waren nach Angaben eines Ermittlers stark betrunken, schlugen und beleidigten bei der Festnahme auch die Beamten. Sie wurden nach Blutprobe und Vernehmung am Morgen wieder auf freien Fuß gesetzt. Ein Ermittler sagte, dass „bei Typen wie diesen beiden Brüdern gar nichts hilft – denen sagt man guten Tag und hat dann die Faust im Gesicht.“

Vom Krankenhausbett aus schilderte Michael K. gestern dem Tagesspiegel den Vorfall so: Mehrere Jugendliche oder junge Leute hatten einen anderen beschimpft und geboxt, da bin ich aufgestanden und habe von der Mitte des Waggons aus gerufen: „Hört doch einfach mal auf.“ Das hat die Aggressionen der Angreifer wohl weiter angeheizt, denn einer der beiden sei auf ihn zugekommen, habe kein Wort gesprochen, „hielt sich an den Haltegriffen fest, holte Schwung und trat mir mit beiden Füßen ins Gesicht. Seitdem weiß ich nichts mehr, bis ich in meinem Blut wieder aufgewacht bin.“ Nach Angaben der Polizei hatten der 16-Jährige aus Hellersdorf und sein in Weißensee wohnender 23 Jahre alter Bruder danach weiter auf den am Boden liegenden Bewusstlosen eingetreten.

Zu dieser Zeit hatte der Fahrer der Linie 13 die Schlägerei im Waggon allerdings schon an die BVG-Leitstelle gemeldet. Diese holte um 23.51 Uhr Polizei und Feuerwehr zur Kreuzung Wisbyer Straße / Prenzlauer Allee. Von dort waren die Schläger dann geflüchtet, konnten aber schnell gefasst werden – denn im Waggon war noch ein Mann, der nicht wegsah, sondern half. Der 36-Jährige zeigte den Beamten die genaue Fluchtrichtung. Der ursprünglich Angegriffene rannte davon.

Ein solches Maß an Brutalität sei sehr selten, sagte BVG-Sprecherin Mansfield. Videoüberwachung gab es in dem Waggon vom Typ Tatra noch nicht. Wie berichtet will die BVG in diesem Jahr 50 Busse und 30 Straßenbahnen mit Videokameras in Dienst stellen.

Am Tatort ist die Schwere der Verletzungen zunächst offensichtlich falsch eingeschätzt worden. Denn die Sanitäter des Rettungswagens alarmierten keinen Notarztwagen zusätzlich, sondern brachten den 42-Jährigen in die Parkklinik Weißensee. Erst dort wurden die schweren Verletzungen diagnostiziert: „Zertrümmerung des Knochengesichtsschädels“. Noch in der Nacht wurde er in das auf Unfallchirurgie spezialisierte Klinikum Buch verlegt.

Das Opfer sagte gestern über seine Verletzungen, er habe unter anderem Frakturen an Nase, Schläfe und Stirn. Am Vormittag wurde der Mann von der Intensivstation in die Chirurgie verlegt. Trotz seiner schlimmen Verletzungen hat Michael K. andere Sorgen: Dass durch seine Erfahrung andere Menschen vom Helfen oder Einschreiten abgehalten werden. Auch der Anti-Gewalt-Experte der Polizei fragt sich, wohin es wohl führte, wenn niemand mehr den Mut habe, etwas zu riskieren. Polizei und BVG wollen dem 42-jährigen Weißenseer nun für seinen Mut danken. „Das ist genau die Art Zivilcourage, die wir brauchen.“

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