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Berlin: Zoo will NS-Unrecht aufarbeiten

Eine Forscherin will ein Kapitel der Berliner Geschichte aufklären und bittet um Mithilfe: Sie sucht einstige Aktienbesitzer, die zwischen 1933 und 1945 enteignet und entrechtet wurden.

Die Verwaltung des Zoologischen Gartens nimmt einen weiteren Anlauf, das düstere Kapitel ihrer berühmten Institution zur Zeit des „Dritten Reiches“ aufzuklären. Finanziert durch Lotto-Mittel hat eine Historikerin des Zentrums für Antisemitismusforschung begonnen, Aktionäre jüdischer Herkunft zu ermitteln, denen ihre Anteilsscheine während der NS-Herrschaft auf dem Weg der Enteignung und des Zwangsverkaufes weggenommen wurden. Seit Mai dieses Jahres sucht Monika Schmidt 2000 infrage kommende Namen aus den Aktienbüchern des Zoos mit Versteigerungs- und Ausbürgerungslisten, Wiedergutmachungsakten und Internet-Genealogien abzugleichen, um Details über Identitäten und Schicksale zu erfahren. Und sie bittet Tagesspiegel-Leser in dieser Sache um Mithilfe.

Die Wissenschaftlerin bittet alle, die Personen kennen, die zwischen 1933 und 1945 Zoo-Anteile verloren oder veräußert haben oder aber diese damals neu erwerben konnten, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Bis zum Jahr 2000 hatte es im Zoo wenig Interesse gegeben, sich mit solchen Belastungen der Vergangenheit zu befassen. Dabei lässt sich an der NS-Geschichte dieser Einrichtung wie in einem Mikrokosmos die Politik der Ausgrenzung nachvollziehen, denn der Zoo war ein renommierter Treffpunkt für die repräsentative Begegnung und das Engagement der bürgerlichen Berliner Gesellschaft. Am Herausdrängen „nichtarischer“ Aufsichtsratsmitglieder, an der „Arisierung“ des Aktienbestandes und an der Beschränkung des Zoobesuchs für Juden bis hin zum Eintrittsverbot waren intern viele Instanzen beteiligt. Erst als sich vor 13 Jahren der Nachfahre eines jüdischen Aktionärs aus New York gemeldet hatte, kam eine begrenzte Untersuchung zur „Arisierung“ des Zoologischen Gartens in Gang.

2011 wurde eine vom Verein der Freunde und Förderer lange geforderte Gedenktafel am Antilopenhaus angebracht, deren Inschrift für manche unbefriedigend bleibt. Von Verantwortung der Institution für konkrete Unrechtsbeteiligung ist da nichts zu lesen. Der formelhafte Schlusssatz „In Trauer und zur steten Mahnung“ begnügt sich mit allgemeiner Betroffenheit. Nun sollen weiterführende Forschungen die begonnene Aufklärung fortsetzen und zum Jubiläum des Hauses im kommenden Jahr publiziert werden.

Die ersten 1000 Anteilsscheine à 100 Taler der 1844 gegründeten Zoo-AG wurden 1845 gedruckt, bis 1869 verkauften sich erst 191 Stück davon; später beschleunigte sich der Absatz. Da Zooanteile „vinkulierte Namensaktien“ sind, wurden Besitzernamen im Aktionärsbuch notiert. Meistens werden die Liebhaber-Papiere vererbt; Dividende wird nicht ausgeschüttet, dafür erhält der Besitzer freien Eintritt. 1933 befand sich von 4000 Aktien ungefähr ein Drittel im – nach Maßstäben der NS-Rassenlehre – „nichtarischen“ Besitz. Vererbung von Wertpapieren war Juden ab 1938 nicht mehr gestattet, sie durften nur unter Preis an den Zoo verkaufen, der auf diese Weise unverhofft viele Exemplare der raren Anlage „Ariern“ anbieten konnte. Das historische Aktienbuch des Zoos ging im Krieg verloren.

Nach 1945 wurde aus vorgelegten Anteilsscheinen ein neues Alt-Buch rekonstruiert, durch dessen Daten noch Besitzergeschichten zu rekonstruieren wären. Bis etwa 1960 waren darin rund 15 000 Namen verzeichnet: Ersterwerber, Erben, Käufer. Dieses Exemplar wurde mittlerweile von einem weiteren Buch abgelöst. Auch deshalb ist Monika Schmidts Recherche wichtig: Die Nummern der Papiere nämlich wurden geändert, Kontinuitäten sind nicht mehr so weit und detailliert zurückzuverfolgen.

Die Wissenschaftlerin erbittet Hinweise per E-Mail an die Adresse:

monika.schmidt@campus.tu-berlin.de

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