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Berlin: Zu derb für den Kiez

Rollbergviertel ab Montag ohne Quartiersmanager Senat wirft ihm „sprachliche Entgleisungen“ vor

Ohne Quartiersmanagement startet das Neuköllner Rollbergviertel, einer der sozialen Brennpunkte der Stadt, ins neue Jahr. Die bisherigen Kiezhelfer, deren Arbeit bislang hochgelobt wurde, haben den Vertrag nicht verlängert, weil die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Quartiersmanager Gilles Duhem nicht mehr akzeptiert. Die Behörde sucht nun „intensiv“ nach einem anderen Management und hofft, noch im Januar einen neuen Träger zu finden. Petra Nothdorf aus der Verwaltung sagt, dass sich die Behörde eine Zusammenarbeit mit Duhem nicht mehr vorstellen könne – wegen seiner „sprachlichen Entgleisungen und dem rauhen, derben Umgangston“.

Der 39-jährige Pariser Politologe und Stadtplaner, der seit 1989 in Berlin lebt, ist ein freundlicher Mann mit eisernem Willen. Er findet „albern“, was die Behörde ihm vorwirft, etwa, eine Sachbearbeiterin „Weib“ genannt zu haben. Er will das Rollbergviertel voranbringen, hat mit seinem Team dazu beigetragen, dass die Kriminalität in den letzten Jahren beträchtlich gesunken ist. Die erfolgreiche Arbeit im Kiez machte das Quartiersmanagement auch bundesweit bekannt. Die ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John lobte Duhem gerade dafür, dass er es geschafft habe, dass von 5600 Bewohnern des Viertels 300 aktiv an Projekten mitmachen und dieses Jahr 25 000 ehrenamtliche Arbeitsstunden geleistet haben. Duhem und seine Mitarbeiterinnen Renate Muhlak und Ayten Köse organisieren Schul- und Sprachförderung sowie zahlreiche Kiez-Veranstaltungen, und beziehen Schulen, Jugendamt, die Wohnungsgesellschaft Stadt und Land und die Polizei ein.

Im Quartiersbüro an der Falkstraße 25 kommen Anwohner vorbei, verabschieden sich, eine 80-jährige Frau weint, bringt Blumen. Ab Montag ist hier „ein luftleerer Raum“, sagt Duhem. Er gehört zum „Förderverein Gemeinschaftshaus Morus 14“, der das „QM“ noch trägt. Duhem wirft dem Senat vor, das Management zu Gehilfen für die „Abwicklung ausufernder bürokratischer Anforderungen“ degradieren zu wollen. Der kleine Verein könne nicht alle Projekte kaufmännisch bewältigen. Bei mehr Bürokratie müsse es auch mehr Geld für eine weitere Stelle geben, rund 25 000 Euro.

Darüber ist mit der Senatsbehörde gestritten worden. „Mir fällt zu diesem Weib nichts mehr ein“, schrieb der Quartiersmanager in einer Mail, die eine zuständige Sachbearbeiterin zu Gesicht bekam. Die Behörde sei eine „offene Psychiatrie“. Duhem meint, auch die Sachbearbeiterin sei „rotzfrech“ gewesen. Petra Nothdorf, Leiterin der Gruppe Quartiersverfahren im Referat Soziale Stadt, wirft dem Mann wegen seiner Wortwahl Mangel an sozialer Kompetenz vor. Er polemisiere und schüre unbegründet Angst vor Bürokratie. Der Senat müsse aber Regularien der EU und der Landeshaushaltsordnung beachten. Natürlich sei kaufmännisch geschultes Personal wichtig, aber das müsse der Träger regeln. Der Förderverein mache gute Projekte, und der Quartiersmanager komme im Gebiet gut an. Man hätte mit dem Verein weitergearbeit, aber eben nicht mehr mit Duhem.

„Er ist das Herz, der Motor der Gegend“, sagt Marianne Nowak aus dem Kiez. Duhem tröstet Anwohner, dass er weiter mitarbeiten will. Ein neues Quartiersmanagement werde es in der „Löwengrube“ Rollbergviertel aber nicht leicht haben.

Christian van Lessen

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