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Berlin: Zu viel Geduld mit jungen Serientätern?

Treffpunkt Tagesspiegel zum Thema Jugendkriminalität: Regelverstöße schneller ahnden

„Jede Haftvermeidung,

die möglich ist,

ist besser als

eine Inhaftierung.“

Wolfgang Wieland

Bündnis 90/Die Grünen

„Wir müssen

an die Familien ran, die sagen,

dass sie mit ihren Kindern

nicht mehr klarkommen.“

Barbara John,

Ex-Ausländerbeauftragte

Mit genau 101 Intensivtätern hat es die Berliner Polizei ständig zu tun. 101 Jugendliche, vor allem Jungen nichtdeutscher Herkunft, die als Räuber und Schläger in bestimmten Gegenden immer wieder der Polizei auffallen: Das sind nicht viele – trotzdem beschäftigen sie die Öffentlichkeit und die Politik. Und das nicht bloß, weil sich die Leute wundern, wenn Schulhofschläger Sawis mit einer Bewährungsstrafe davon kommt. Viele fragen sich, ob es sinnvoll war und ist, Regelverstöße immer zu entschuldigen, wenn das dazu führt, dass sich immer weniger Jugendliche an Regeln gebunden fühlen. Darüber gab es beim Treffpunkt Tagesspiegel zum Thema: Wer stoppt die jungen Serientäter? am Dienstagabend im Hotel Intercontinental heftigen Streit.

Anlass zur Sorge besteht durchaus: „Raubtaten nehmen zu, Stichwaffen nehmen zu, Schusswaffen nehmen zu“, sagte trocken der Chef des Landeskriminalamts (LKA), Peter-Michael Haeberer. 14-Jährige fallen der Polizei durch besonders rohe und brutale Taten auf. Die Opfer sind mal Jugendliche, mal alte Frauen. Der LKA-Chef versuchte, dem Thema die Brisanz zu nehmen, indem er darauf hinwies, dass es sich um „Episodenkriminalität“ handele: Die wenigsten 14-jährigen Räuber werden zu Mördern oder Totschlägern; die meisten finden den Weg in ein einigermaßen geregeltes Leben.

Doch das Podium ließ sich darauf so wenig ein wie das Publikum. Weil es Opfer gibt, und weil die Mahmouds und Sawis’ in den Augen vieler Bürger für die hochmütige Verachtung aller Regeln des Zusammenlebens stehen. Jugendkriminalität gehe vorbei wie die Akne in der Pubertät?, frage Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur des Tagesspiegel, rhetorisch den Polizisten. „Ich möchte in erster Linie, dass diese Leute nicht Menschen etwas antun.“ Immerhin sei nach zehn Jahren öffentlichen Streits über kriminelle Jugendliche etwas geschehen, sagte Wolfgang Wieland, ehemaliger Justizsenator: Die jungen Delinquenten kämen bei der Polizei immer an dieselben Sachbearbeiter und bei der Staatsanwaltschaft an eine Abteilung. Beides soll bewirken, dass die Jungkriminellen früher als Serientäter auffallen und die Konsequenzen ihrer Regelverletzungen spüren.

Nur Safter Cinar, Vorsitzender des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, tat sich schwer mit einer Debatte, in der mehr von individueller als von gesellschaftlicher Verantwortung die Rede war. Sein Versuch, auch die Serientäter zuerst und zuletzt mit den Integrationsproblemen und dem Scheitern des Einwanderungsgesetzes zu erklären, brachte ihm heftigste Unmutsäußerungen ein.

Auch Integrationsfachleute wie die ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John, deren fürsorgliches Interesse gerade an den Türken in Berlin unübersehbar ist, hält familiäre Fehlentwicklungen und den noch immer gepflegten Machismo für eine Ursache scheiternder Integration. Der Mitarbeiter eines Trägervereins der Heime in der Uckermark, in der Intensivtäter landen, sprach aus, was viele denken: Bei allem Verständnis für gesellschaftliche Ursachen dieser Kriminalität sei allen Intensivtätern in ihrer Herkunft eines gemeinsam: „Dass da keiner ist, der ihnen Grenzen setzt.“

„Niemand interveniert

zu einem Zeitpunkt,

zu dem die Intervention

sinnvoll wäre.“

Peter-Michael Haeberer,

Chef des Landeskriminalamts

„Geld für

die Integration

ersetzt keine

Politik.“

Safter Cinar,

Türkischer Bund

„Es gibt nach der

Einwanderung eine

gewisse Bringschuld

auf Seiten der Ausländer.“

Giovanni di Lorenzo, Tagesspiegel-Chefredakteur

„Es ist verständlich,

dass über junge Serientäter emotional

diskutiert wird.“

George Turner,

Moderator

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