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Berlin: Zum Davonlaufen?

Die Umzugspläne der Bahn haben dem Ansehen des Wirtschaftsstandorts Berlin geschadet. Andere Unternehmen wollen ihr Engagement in der Hauptstadt dagegen ausbauen

Die Bahnzentrale bleibt in Berlin – doch auch nach Einschreiten der Bundesregierung im Streit um den Konzernsitz wird in der Hauptstadt über die Folgen der Umzugspläne debattiert. „Wer sich jetzt entspannt zurücklehnt und zur Tagesordnung übergeht, macht einen schweren Fehler“, warnten die Fraktionsvorsitzenden der Berliner Grünen, Sibyll Klotz und Volker Ratzmann. Der Senat müsse seine gesamte Wirtschaftspolitik kritisch überdenken. „Samsung, JVC, CNH: Der Senat reagiert immer erst, wenn die Arbeitsplätze verloren sind“, kritisierten die Grünen.

Die Bundesregierung hatte sich am Dienstag gegen eine Verlegung der Bahnzentrale nach Hamburg ausgesprochen. Offenbar denkt die Bahn nun über einen abgespeckten Umzug nach. Denkbar könnte allein eine Ansiedlung der Logistiksparte von Frachtvorstand Norbert Bensel mit rund 400 Beschäftigten an der Elbe sein, berichtete die „Financial Times Deutschland“ (FTD) am Mittwoch. Zudem könnten Teile der Güterbahn Railion (DB Cargo) und des Logistikers Stinnes zusammengezogen werden.

Ein Sprecher des Bahntechnikherstellers Bombardier Transportation stellte klar, dass das Unternehmen seine Standortentscheidungen nicht von denen der Deutschen Bahn abhängig mache. Die Weltzentrale von Bombardier Transportation, einer Tochter des kanadischen Bombardier-Konzerns, werde weiterhin in Berlin bleiben, selbst wenn die Bahn wegziehe, sagte er dem Tagesspiegel. Auch die Zukunft des brandenburgischen Werks Hennigsdorf sei nicht vom Hauptsitz der Bahn abhängig.

Auch wenn aus den Umzugsplänen nichts wird – dem Ansehen des Standorts dürfte die Diskussion bereits geschadet haben. „Die Stimmung ist extrem schlecht, kein Unternehmer ist von der Politik des Senats begeistert“, beschreibt der Sprecher einer mittelständischen Firma die derzeitige Gefühlslage vieler Wirtschaftstreibender in der Stadt, die wirkliches Engagement von Seiten des rot-roten Senats vermissen würden. Er selbst will aber lieber ungenannt bleiben, denn: „Warum soll ich den letzten Rest positiver Stimmung verderben?“ Beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit würden Unternehmer fast nie einen Termin kriegen, kritisierte der Unternehmenssprecher. „Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, mit denen eine Stadt einem das Gefühl vermitteln kann, dass man hier gerne gesehen und gut aufgehoben ist“, sagte der Sprecher. Aber es passiere nichts. Dabei sei Berlin ein schöner Standort, aus dem nur leider nichts gemacht würde. Seine Firma mit mehreren hundert Angestellten denke selbst über eine Standortverlagerung nach.

Andere Unternehmen sehen sich dagegen in Berlin gut aufgehoben. Siemens ist hier mit knapp 14000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber. Im vergangenen Jahr hatte Siemens die Abteilung Vertrieb und Service Deutschland mit inzwischen 100 Mitarbeitern an die Spree verlegt. „Das war für uns ein strategisches Engagement und ist mit einem dauerhaften Bekenntnis zum Standort Berlin verbunden“, sagte Siemens-Sprecherin Ilona Thede. Auch von einer Wirtschaftsferne Berliner Politiker habe man bei Siemens nichts gespürt. „Wirtschaftssenator Harald Wolf ist regelmäßig bei uns und auch Herr Wowereit war schon mehrfach bei uns zu Gast“, sagte Thede.

Auch die Lufthansa will weiter in Berlin investieren. „Wir setzen auf den Standort und glauben auch an ihn“, sagte Lufthansa-Pressesprecher Wolfgang Weber. Für die Fluggesellschaft ändere sich gar nichts. „Wir sind seit der Wende ständig gewachsen und haben seitdem nicht in einem einzigen Jahr Arbeitsplätze abgebaut“, sagte Weber weiter. Diesen Wachstumspfad werde man auch in Zukunft weiter fortsetzen.

Der Musikkonzern Universal, der vor wenigen Jahren von Hamburg nach Berlin gezogen war, hat mehrfach betont, Berlin sei der ideale Standort für das Unternehmen. Vorstandschef Frank Briegmann glaubt, dass die rund 500 Mitarbeiter in der kreativen Hauptstadt am Puls der Zeit arbeiten. Lediglich die Volksmusik-Sparte soll weiter in München bleiben. „Die Nähe zu den Alpen macht in diesem Bereich auch Sinn“, heißt es. avi/hop/jul/mot

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