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Berlin: Zum Jubeln quer durch die Stadt

Gneisenaustraße. Die Araltankstelle ist wegen der abgesperrten Marathonstrecke zwar autoleer, doch das Geschäft läuft trotzdem.

Gneisenaustraße. Die Araltankstelle ist wegen der abgesperrten Marathonstrecke zwar autoleer, doch das Geschäft läuft trotzdem. Anwohner und Zuschauer kaufen Zeitungen und Zigaretten.

10.12 Uhr. Yorckstraße. Zwischen den vielen Tröten fällt ein Hornbläser auf, der Wagner spielt, um die Läufer anzuspornen. Aber über die Wahl seines Themas sollte er nachdenken: Es war „Siegfrieds Tod“ aus dem Ring des Nibelungen.

11.40 Uhr. Kurfürstendamm Ecke Joachimstaler Straße. Kein Auto weit und breit. Die Ampel wird grün. Eine Dame mit toupierten Haaren hebt ihren Yorkshire-Terrier hoch und trägt ihn über die Kreuzung. Macht der Gewohnheit?

11.58 Uhr. Schwer atmend hält sich Läufer Nummer 24265 am Straßenschild Kleist-/Kalckreuthstraße fest. Er hat einen Krampf. Ein Zuschauer eilt zur Hilfe, drückt den Turnschuh hoch, so dass die Wadenmuskeln sich strecken.

12.31 Uhr. Brandenburger Tor. Eine neue Weltbestzeit stellte die blinde Läuferin Regina Vollbrecht vom SC Potsdam auf. Die 29-Jährige verbesserte ihren eigenen Rekord von 3:31:36 auf 3:22:08 Stunden. Vollbrecht war mit drei Begleitern gelaufen, die sie durch eine kurze Schnur am Handgelenk über die Strecke führten.

12.45 Uhr. U-Bahnhof Wittenbergplatz. „Zusammenbleiben“ ruft eine Mitvierzigerin über den Bahnsteig. Sie muss auf mehrere Mädchen im schönsten Teeniealter aufpassen, deren Eltern beim Marathon mitlaufen. Wo sie herkommen? Eckernförde. Wo sie schlafen? In der Kaserne. „Unsere Eltern sind ja bei der Bundeswehr.“ Jetzt aber schnell einsteigen in die U-Bahn Richtung Zielgerade.

13 Uhr. Tauentzienstraße. Die Männer sind klar in der Überzahl bei den Läufern. Und die Zuschauer überwiegend weiblich: Frauen, Freundinnen und Töchter jubeln ihren Liebsten zu. Eine von ihnen ist Martina Diab aus Essen, die ihrem Mann Hussein Traubenzucker zusteckt. Sie wartet an fünf abgesprochenen Punkten auf ihn. Hussein will 4:30 laufen. Um das zu schaffen, hat er sechs Tage pro Woche geübt. Warum seine Frau nicht mitläuft? „Unsere Tochter ist zu klein.“ An diesem Wochenende passen die Großeltern auf.

13.30. „Da vorne läuft doch Frank Steffel!“ Ein älterer Mann im Publikum hat den früheren Spitzenkandidaten der Union im Läuferpulk entdeckt. Der Christdemokrat war nicht der einzige Berliner Abgeordnete unter den Läufern. Auch sein Parteifreund Peter Kurth ging auf die Strecke und lief mit 4:02:54 Stunden knapp 15 Minuten schneller als Steffel. Bei den Frauen hatte die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling mit 4:28:46 stunden die Nase vorn, vor Gabriele Hiller von der Linkspartei.

14.20 Uhr. „Der Singende Tresen“ unterhält in der Hofeinfahrt des Tagesspiegels mit Klezmer- und Bluesmusik. Überhaupt gibt es Musik auf der ganzen Strecke: Rund 60 Bands heizen die Stimmung an – von Jazz über Samba bis zu türkischem Rock und afrikanischen Trommeln. Die Musiker gehören inzwischen zum Marathon wie das Publikum mit seinen Pfeifen und Trommeln.

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