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Berlin: Zum zweiten Mal lebenslang?

Heute wird das Urteil gegen den Top-Terroristen Johannes Weinrich erwartet

Das zweite Urteil gegen den Top-Terroristen Johannes Weinrich kommt am Ende schneller als erwartet: Weil sein Terror-Chef „Carlos“ zu einer Aussage per Videoschaltung nicht bereit war und weil die Richter nur über drei der zunächst sechs angeklagten Attentate verhandelten. Statt zäher Beweisaufnahme über Jahre hinweg ist nach 17 Monaten Schluss. Heute will das Landgericht in der Turmstraße sein Urteil verkünden (9.30 Uhr, Saal 500). Die Anklage hat für drei Terroranschlägen in Frankreich eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen sechsfachen Mordes und 21-fachen Mordversuchs beantragt, die Verteidigung plädierte auf Freispruch.

Weinrich galt als „rechte Hand“ des inzwischen in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilten Top-Terroristen Illich Ramirez Sanchez alias „Carlos“, bekannt geworden auch als der „Schakal“. Der Venezolaner war zwei Jahrzehnte lang der meistgesuchte Terrorist der Welt. Er mordete im Auftrag palästinensischer Terrororganisationen, nahöstlicher Diktaturen und östlicher Geheimdienste. Blind soll Weinrich die Befehle seines Vorbilds ausgeführt haben.

Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis nennt den eher bieder wirkenden Weinrich einen Salonterroristen. Der Mann, der die Welt gewaltsam nach seinen Ideen formen wollte, habe den Opfern keine Chance gelassen. Dafür bekam er schon einmal lebenslänglich. Das war vor vier Jahren im Prozess um den Bombenanschlag auf das Kulturzentrum Maison de France 1983, bei dem ein Mann getötet wurde. Die Richter stellten eine besondere Schwere der Schuld fest. Deshalb gibt es für den 56-jährigen Weinrich – unabhängig vom zweiten Urteil – keine Chance auf Entlassung nach 15 Jahren.

Jetzt geht es um die Verantwortung für drei Attentate in Frankreich: 1982 wurde eine schwangere Passantin in der City von Paris getötet, als eine Autobombe explodierte. Silvester 1983 forderte dann ein Massaker in Marseille fünf Tote. Zahlreiche Menschen wurden schwer verletzt. Die Anklage geht davon aus, dass die Carlos-Bande mit den Anschlägen die Freilassung von in Frankreich inhaftierten Komplizen erpressen wollte.

Weinrich hat zu den Vorwürfen geschwiegen. Der Sohn eines Studienrates hält aber bis heute offenbar an seinen ideologischen Überzeugungen fest. Im ersten Prozess sprach er in seinem Schlusswort vom „Kampf der Unterdrückten gegen die Herrschenden“, der nur die Wahl zwischen „Vernichtung und Unterwerfung“ lasse. Nach Jahrzehnten im Untergrund wurde Johannes Weinrich Mitte der 90er Jahre in Jemen festgenommen. Seine Perspektive ist ihm klar. Bei der Frage nach seinem Beruf antwortete er den Richtern: „Gefangener“.

Kerstin Gehrke

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