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Berlin: Zwangsumzug wurde nur ein Mal verordnet

Leben ALG-II-Empfänger in zu teuren Wohnungen? Die zwölf Job-Center fanden kaum Verstöße

Die zwölf Berliner Job-Center prüfen seit einigen Wochen, wie viele Haushalte von Arbeitslosengeld-II-Empfängern in zu teuren Wohnungen leben. Zwangsumzüge sind bis auf eine Ausnahme ausgeblieben, und nach den ersten Überprüfungen rechnen die Experten damit, dass es keine massenhaften Umzugsaufforderungen geben wird, auch wenn es bisher keine verbindlichen Daten über die Zahl der Bedarfsgemeinschaften gibt, deren Mietkosten zu hoch sind. Auch beim Sozialgericht gab es keine Klage gegen einen vom Job-Center angeordneten Umzug, wie Sprecher Michael Kanert sagte. Nach Angaben der Senatssozialverwaltung musste berlinweit erst eine Familie umziehen, deren Miete über der vom Senat festgelegten Höchstgrenze lag. „Das war ein Einzelfall“, sagte Achim Tübbicke, Geschäftsführer des Job-Centers Reinickendorf, das die Familie betreut. In seinem Bezirk sind erst „in einem kleinen zweistelligen Bereich“ Haushalte mit der Aufforderung angeschrieben worden, die Mietkosten zu senken.

Auch wenn die Miete über den Richtlinien liegt, müssen die Betroffenen nicht zwangsläufig ihre Wohnung räumen. Sie können etwa selber einen Teil der Miete tragen oder sie können sich bemühen, die Kosten etwa durch Untervermietung oder Verhandlung mit dem Vermieter zu senken. Zudem gibt es nach dem Beschluss des Senats Ausnahmeregelungen, in denen Mietkosten bis zu einem bestimmten Prozentsatz den Kostenrahmen überschreiten können. Das gilt etwa bei Alleinerziehenden mit einem Kind, langjährigen Mietern oder Arbeitslosen über 60 Jahren. Bei Alleinerziehenden mit mehreren Kindern und bei Behinderten etwa werden sämtliche Mietkosten anerkannt. Außerdem muss eine Wirtschaftlichkeitsberechnung ergeben, dass ein Umzug – der ebenfalls vom Amt bezahlt werden muss – wirklich billiger ist, als eine etwas erhöhte Miete zu zahlen. Ohnehin werden die Mieten erst nach einem Jahr überprüft, dann gilt eine weitere Halbjahresfrist. Die Obergrenze inklusive Nebenkosten liegt beispielsweise für einen Singlehaushalt bei 360 Euro, eine vierköpfige Familie darf 619 Euro für ihre Wohnung ausgeben.

In anderen Bezirken ergibt sich ein ähnliches Bild wie in Reinickendorf, wie eine Umfrage unter einigen Job-Centern zeigt. In Treptow-Köpenick wurden „vereinzelt“ Schreiben mit der Aufforderung zur Kostensenkung herausgeschickt. Das Job-Center Neukölln hat die Mietkosten von rund 3000 Bedarfsgemeinschaften kontrolliert. 200 von ihnen wurden jetzt angeschrieben, ob Ausnahmeregelungen gelten oder Mietkosten gesenkt werden können. Die durchschnittlichen Mietkosten eines ALG-II-Haushalts liegen in Neukölln bei 316 Euro, in Treptow-Köpenick sogar nur bei 293 Euro. Das Job-Center Spandau hat 40 Haushalte wegen der Kosten kontaktiert. Kreuzberg-Friedrichshain hat knapp 180 Bedarfsgemeinschaften angeschrieben, bis Ende Februar wurden lediglich vier Haushalte aufgefordert, die Kosten zu senken. In Tempelhof-Schöneberg haben nach Angaben des dortigen Job-Centers rund 500 Haushalte einen Anhörungsbogen erhalten, 10 000 wurden schon überprüft. In Marzahn-Hellersdorf ging das Anhörungsschreiben an rund 25 Haushalte.

Aufgrund der bisher vorliegenden Zahlen sieht die Sozialbehörde ihre Linie bestätigt, dass es nicht zu Massenumzügen kommen wird. „Alles andere ist nach wie vor nur Panikmache“, sagte Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Vor allem Familien seien in der Regel nicht betroffen. In der Mehrzahl hätten Single-Haushalte das Anhörungsschreiben erhalten. Rund 330 000 Haushalte in Berlin beziehen Arbeitslosengeld II.

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