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Berlin: Zwei reißen sich um den Problembezirk

Neukölln hat die dritthöchste Arbeitslosenquote. Der Bezirk will raus aus dem Sozialtief. Wir schaffen das, sagen ein Sozialdemokrat – und seine CDU-Konkurrentin

Von Tobias Arbinger

Am Maybachufer liegt einer der buntesten Märkte der Stadt. Vor allem Türken bieten dort frisches Obst und Fisch, Kurz- und Haushaltswaren an. Nicht nur Besucher aus der Nachbarschaft schätzen sein orientalisches Flair. „Aber der Markt wird meist der Kreuzberger Seite zugerechnet“, sagt Ditmar Staffelt. Das sei typisch Neukölln, weiß der SPD-Politiker und Abgeordnete im Bundestag. Es werde vielfach unterschätzt.

Vor allem Neuköllns Minuspunkte haben sich eingeprägt. Die „Endstation“, wie das Magazin Der Spiegel vor ein paar Jahren titelte. Kein Zweifel, der Norden des mit 306894 Einwohner fünftgrößten Bezirks der Stadt ist ein soziales Problemgebiet. Das schlägt sich in der Statistik nieder: Die Neuköllner Arbeitslosenquote ist mit 21 Prozent die dritthöchste unter den Bezirken. 13,1 Prozent der Bevölkerung beziehen Sozialhilfe. Das Nettohaushaltseinkommen ist das zweitniedrigste in der Stadt. 28,5 Prozent der Neuköllner haben keinen Berufsabschluss (Berliner Durchschnitt: 22,1). Es gibt relativ wenige Fach- und Hochschulabsolventen. „Aber dass hier die Welt untergeht, ist Quatsch“, sagt Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD).

Verena Butalikakis, Direktkandidatin der CDU und Ditmar Staffelts Gegenspielerin, pflichtet bei: „Neukölln ist kein Jammertal. Viele finden es spannend, wahnsinnig abwechslungsreich.“ Neukölln hat zum Beispiel ein vitales Kulturleben: Das einzige freie Opernhaus der Stadt ist hier ansässig, fünf Kinos und die Werkstatt der Kulturen. Einmal im Jahr findet das Kulturspektakel „48 Stunden Neukölln“ statt. Der Bezirk ist nach wie vor wichtiger Industriestandort. Der Zigarettenhersteller Philip Morris und die Kaffeerösterei Melitta sitzen hier. Das Hotel Estrel gilt als eines der größten Tagungshotels in Deutschland.

Wer Neukölln sagt, meint meist den dicht besiedelten Norden. Der Süden ist eine andere Welt: Britz mit seinen Kleingärten und Bruno Tauts Hufeisensiedlung, die 1975 fertiggestellte Gropiusstadt, die von Ein- und Mehrfamilienhäusern geprägten Ortsteile Rudow und Buckow. Nord- und Südneukölln unterscheiden sich auch politisch. Im bürgerlichen Buckow und Rudow hat die CDU die Nase vorn, in den traditionellen Arbeitervierteln im Norden, in denen auch viele Studenten leben, wird eher sozialdemokratisch und grün gewählt.

Der Norden gilt als schwieriges Pflaster. Fehlende Integration, steigende Armut und „Entsolidarisierug der Bevölkerung“ sind die Stichworte, die Bürgermeister Buschkowsky einfallen. In vier Neuköllner Kiezen soll Quartiersmanagement den sozialen Niedergang aufhalten, laufen Arbeitsbeschaffungsprogramme wie „Stelle statt Stütze“. Ein Drittel der Neuköllner stammt nicht aus Deutschland. In Vierteln wie dem Reuterkiez beträgt der Ausländeranteil 40 bis 50 Prozent. Immer mehr Familien, die es sich leisten können, ziehen weg – deutsche wie ausländische. Aber auch der Strukturwandel nach der Wende hat Neuköllns Probleme vergrößert: Betriebe wie Alcatel, die Meiereizentrale MZ und die Kabelwerke KBO machten dicht. Die Arbeitslosen sind meist schwer vermittelbar. „Man hat versäumt, die Leute frühzeitig zu qualifizieren“, sagt Clemens Mücke, Wirtschaftsfachmann im Rathaus.

Für die Bundestagswahl ist im Bezirk ein Duell zwischen SPD und CDU zu erwarten. Aus zurückliegenden Wahlen lässt sich kein eindeutiger Trend herauslesen. Auf Bezirksebene dominierten zehn Jahre lang die Christdemokraten. Noch bei den BVV-Wahlen 1999 erreichten sie die absolute Mehrheit im Bezirksparlament. 2001 schrumpfte der Abstand zur SPD auf eine hauchdünne Mehrheit. Bei der Bundestagswahl 1998 gewann die SPD in Neukölln haushoch.

Die Sozialdemokraten setzen auf den Norden Neuköllns, auf Stammwähler, Studenten und darauf, dass Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger die SPD als sozial gerechtere Partei sehen. Staffelt, mittlerweile parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sieht seine Stärke vor allem in seiner Wirtschaftskompetenz. „Imageverbesserung gegenüber Investoren ist wichtig“, sagt er. „Ich versuche bei jeder Gelegenheit, Neukölln als Wirtschaftsstandort anzubieten.“ Die CDU baut auf die Stimmen aus dem bürgerlichen Süden und auf die kleinen Unternehmer im Bezirk. Ihre Direktkandidatin Verena Butalikakis stellt Bildung und Soziales in den Vordergrund. Außerdem packt sie das Thema Integration an: Butalikakis fordert beispielsweise mehr und früheren Sprachunterricht in Kindergärten und Schulen.

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