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Zweisprachige Kitas: Wurst oder sausage – das ist hier die Frage

Zweisprachige Kitas sind beliebt wie nie, nicht nur bei binationalen Familien. Viele Eltern wollen die Kinder möglichst früh fördern.

Die Kinder legen die Daumen aneinander, ihre Finger spielen in der Luft. Dabei singen die Zwei- und Dreijährigen laut: „The spider climbed up the water spout“. Schon die ganz Kleinen verstehen, was sie da singen: „Die Spinne klettert die Regenrinne hoch.“ Im „Fröbel-Kindergarten am Potsdamer Platz“, gelegen an der Lützowstraße, wird nämlich deutsch und englisch mit den Kindern gesprochen.

Zweisprachige Kindergärten sind beliebt wie nie, ihre Wartelisten sind lang. Meistens entscheiden sich zweisprachige Familien dafür, aber es gibt auch andere Motive: „Eltern wollen ihre Kinder optimal auf die Zukunft vorbereiten“, sagt der Sprecher der Fröbel-Kindergärten, Frank Zopp. „In Europa ist eine zweite oder sogar dritte Fremdsprache wichtig geworden, um beruflich flexibel zu bleiben.“

In Berlin gibt es knapp 2000 Kindergärten, 119 der Einrichtungen sind zweisprachig: deutsch-englisch etwa, deutsch-türkisch oder sogar deutsch-chinesisch. Spitzenreiter bei den bilingualen Kindergärten sind Wilmersdorf und Kreuzberg mit 24 zweisprachigen Einrichtungen. In Wilmersdorf sind elf spanisch-deutsch, in Kreuzberg sind die meisten türkisch-deutsch – oder multikulti.

Wenn Kinder eine zweite Sprache lernen, sollte das allerdings ohne Druck passieren. „Manche Eltern haben völlig überzogene Erwartungen und möchten, dass die Kinder schon im Vorschulalter Vokabeln können“, sagt Gundula Zschaller vom Kindergarten am Potsdamer Platz. „Aber Kinder lernen keine Vokabeln, sie lernen in Zusammenhängen.“

Ihr Kindergarten arbeitet nach dem so- genannten Immersionsprinzip. Das meint eine Art „Sprachbad“ und setzt voraus, dass ein Betreuer immer dieselbe Sprache spricht – nicht abwechselnd etwa deutsch und englisch. Jason Vaughau aus Phoenix in Arizona ist einer der fünf amerikanischen Mitarbeiter des Kindergartens. „Do you want a sausage?", fragt er den zweijährigen Jayden. Der antwortet erwartungsfroh: „Ja.“ Bei einer anderen Methode der zweisprachigen Kinderbetreuung geht es eher darum, Offenheit und Gespür für eine fremde Sprache zu entwickeln. In solchen Einrichtungen gibt es oft Thementage, oder es werden ausländische Lieder gesungen. Zu einem systematischen Spracherwerb führe das aber nicht, sagt Daniela Caspari, Fremdsprachendidaktikerin an der Freien Universität Berlin.

Das muss es auch nicht immer. Die Eltern von Jonah beispielsweise haben sich bewusst für einen deutsch-türkisch-kurdischen Kindergarten entschieden. Jonah ist 13 Monate alt und verbringt seit kurzem einige Zeit in der Kreuzberger Kindervilla Waldemar. Seine Eltern Nisrin El Karkani und Ludwig Laudan wohnen im Graefe-Kiez. „In allen Kitas und Kinderläden, die wir uns hier angeschaut hatten, waren fast ausschließlich deutsche Kinder. Das hat uns sehr irritiert. Wir wohnen ja in Kreuzberg und finden, dass das nicht wiedergibt, wie wir leben", sagt die 29-jährige Mutter.

In Jonahs Kindergarten sind die Hälfte der Kinder türkischer und kurdischer Herkunft. Nisrin El Karkani hat einen arabischen Vater, hat dessen Sprache selbst aber nie gelernt. „Jonah soll nicht unbedingt Türkisch lernen. Es wäre aber schön, wenn er etwas von der Kultur und der Sprache aufschnappt.“ Viele Eltern geben ihre Kinder in die Einrichtung, damit sie einen Ansprechpartner in ihrer Muttersprache haben, weiß Erzieherin Aynor Bektas. „Dann liegt unser Interesse auch darin, den Kindern Deutsch für die Schule beizubringen."

Im Kreuzberger Kinderladen „Wild Poppies“ ist Voraussetzung für die Aufnahme, dass mindestens ein Elternteil Englisch spricht. Nach der Kinderladenzeit möchten viele Eltern, dass ihre Kinder etwa auf die Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule oder die Nelson-Mandela-Schule in Wilmersdorf gehen. Dort ist dann auch der Unterricht auf Englisch – aber vor der Aufnahme steht ein Sprachtest. Viele Eltern hätten Angst, dass ihre Kinder bei den Tests durchfallen könnten, sagt Kinderladen-Leiter Michael Födisch. „Englischsprachige Eltern möchten nicht, dass die Sprache verarmt, wenn die Kinder tagsüber in der Kita sind“, sagt er. Er habe auch viele Anfragen von deutschen Eltern, die ihr Kind anmelden möchten – etwa weil sie vorhaben, ins Ausland zu gehen. Doch die muss Födisch wieder wegschicken. Silke Siebs

Silke Siebs

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