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In diesem Wohnhaus in Wedding brach bereits zum zwölften Mal Feuer aus.

© Timo Kather

Zwölftes Feuer in Weddinger Wohnhaus: Mieter wegen Verdachts auf Serienbrandstiftung in Haft

In einem Weddinger Haus wurden zwischen Dezember und Januar zwölf Brände gelegt. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von Serienbrandstiftung aus: Ein Mieter wird verdächtigt. Seine Nachbarn rätseln über das Motiv.

Die Frau zeigt auf einen Balkon im dritten Stock des Neubaublocks in Wedding. „Da hat er gelebt“, sagt sie. Allein, mit Blick auf die Neue Hochstraße. Der Balkon ist mit Weihnachtsdeko, Trockenblumen, einem ausrangierten Teddybären geschmückt. „Das sieht das ganze Jahr so aus“, sagt die Anwohnerin und lächelt ein wenig verlegen.

Wenn die Vorwürfe von Polizei und Staatsanwaltschaft stimmen, ist der Mann ein gefährlicher Serienbrandstifter. Im Dezember und Januar soll er zwölf Brände in der Neuen Hochstraße 30 gelegt haben. In dem Haus, in dem er seit Jahrzehnten lebt. An Kinderwagen, Wohnungstüren, an Briefkästen, in Kellerverschlägen und Fahrstühlen. Allein zum Jahreswechsel musste die Feuerwehr viermal anrücken. Eine vierköpfige Familie kam mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus, weil ihr Nachbar vor der Wohnungstür im siebten Stock Feuer gelegt haben soll. Die Wohnung ist noch immer unbewohnbar, die Familie soll bei Verwandten untergekommen sein. Die Mieter des von der Gesobau verwalteten Neungeschossers hatten den 68-jährigen Rentner von Anfang an in Verdacht, meldeten ihn bei der Polizei. Nach dem Neujahrsbrand wurde er vorübergehend festgenommen, kam aber mangels Beweisen wieder auf freien Fuß. Er kehrte in seine Wohnung zurück, und ein paar Wochen gab es wieder Feueralarm. Nachdem am Donnerstagabend ein Aufzug gebrannt hatte, wurde der 68-Jährige am Freitag um 17.30 Uhr zum zweiten Mal festgenommen. Diesmal unter dringendem Tatverdacht. Vorwurf: Schwere Brandstiftung.

Typische Weddinger Mischung

In der Neuen Hochstraße 30 lebt die typische Weddinger Mischung: Türkische Familien, deutsche Rentner, dazwischen ein paar Araber und Serben. 55 Mietparteien stehen am Klingeltableau. Es sind Wohnungen frei, ein Schild vor dem Haus wirbt um neue Mieter. Die Gegend, nur ein paar Gehminuten vom S-Bahnhof Humboldthain entfernt, ist keine schöne. Rings ums Haus gibt es eine Infrastruktur aus Wettbüros, Shishabars und Kneipen. „Die Menschen leben anonym nebeneinander her“, sagt der arabische Familienvater, der seit drei Jahren im ersten Stock wohnt. Man grüßt sich, wenn man sich trifft, ansonsten lässt man sich in Ruhe. Der mutmaßliche Brandstifter war trotzdem im Haus bekannt. Der Familienvater beschreibt ihn als stattlichen, fast gutaussehenden Mann, der manches nette Wort übrig hatte. „Er war ein ganz normaler Typ, mit dem es bis Dezember nie Probleme gab“, sagt er. Eine andere Anwohnerin nennt ihn nur den „Dicken mit dem Hund“. Dass der für die Brände verantwortlich sein soll, habe sie richtig geschockt. Mit seinem Hund, einer Dackel-Promenadenmischung, drehe er täglich seine Runden, versorge die Jugendlichen auf dem Spielplatz auch mal mit Bier und Zigaretten. „Er selbst ist aber immer bei alkoholfreiem Beck’s geblieben“, sagt die Verkäuferin im Getränkemarkt im Erdgeschoss. Sie beschreibt den Mann als „Berliner Schnauze mit Herz“.

Gerüchte über psychische Probleme machen die Runde

Wie ein Mann, der so lange so ruhig vor sich hin lebte, zum Serienbrandstifter werden konnte, ist den Anwohnern genauso schleierhaft wie der Polizei. Seine Nachbarn spekulieren, Gerüchte über psychische Probleme, die der Mann mit starken Medikamenten bekämpft haben soll, machen die Runde.

War es womöglich Hass auf Zuwanderer, auf Kinder? Das schließen die Anwohner aus. „Davon habe ich nie etwas gemerkt, das hätte hier auch gar nicht funktioniert“, sagt der Familienvater aus dem ersten Stock. Er hat eine andere Erklärung für die Brandserie: „Wenn man lange Zeit allein, ohne Familie lebt, dann passiert irgendwann was im Kopf.“

Dieser Artikel erscheint im Wedding-Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegel.

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