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Nur scheinbar vital: Philipp Danne als John F. Kennedy. 

© rbb/NDR/Vincent PRODUCTIONS/Jan

ARD-Doku über John F. Kennedy: Der Besonnene?

Ein ARD-Dokudrama rekonstruiert den Tag des berühmten Besuches von John F. Kennedy in Berlin und fördert Überraschendes zutage.

26. Juni 1963 in einem getäfelten Raum im Rathaus Schöneberg in West-Berlin. John F. Kennedy, im ersten Amtsjahr als US-Präsident, kurz vor seiner mit Spannung erwarteten Rede an die Berliner, alleine im Raum mit Sekretär. Kennedy schwächelt, hält sich am Schreibtisch fest, krümmt sich vor Schmerzen. Er krempelt seinen Ärmel hoch, bekommt eine Morphiumspritze. „Wie soll ich Berlinern Hoffnung Zuversicht bringen“, sagt Kennedy, „wenn man mich zum Rednerpult tragen muss?“

Ein starker Beginn der „ARD History: Kennedys Liebe zu Europa (26.6., ARD, 23.35 Uhr), getragen auch von der Präsenz des Schauspielers Philipp Dannes („Der Ranger“), dessen Gesicht den markanten Zügen Kennedys kaum nachsteht. Es folgen 45 Minuten, die einen der wichtigsten Staatsbesuche Deutschlands zwei Jahre nach dem Mauerbau durchaus in einem anderen Licht zeigen, nicht nur wegen Kennedys angegriffener Gesundheit, die im starken Kontrast steht zum Image des vitalen, sportlichen Präsidenten.

Auf Grundlage von Kennedys Tagebüchern wird die Geschichte eines abenteuerlustigen Studenten erzählt, der sich vom kulturellen Erbe begeistern lässt und beginnt, über politische Zusammenhänge nachzudenken, eingebettet in einen Zeitrahmen, der mit einem Besuch des jungen Journalisten Kennedy 1945 in Deutschland beginnt und mit eben jenem denkwürdigen Tag vor 60 Jahren in Berlin endet.

The Show must go on.

Philipp Danne als John F. Kennedy zu seinem Sekretär, kurz bevor er vorm Rathaus Schöneberg zu Berlinern spricht.

Einiges ist weitestgehend bekannt (Kennedys Flirtbereitschaft), Anderes, Denkwürdiges eher nur Eingeweihten oder Lesern von Kennedy Tagebüchern wie Herausgeber Oliver Lubrich und Biograph Alan Posener, die hier neben den Spielszenen mit Philipp Danne und historischen Ausschnitten ausführlich zu Wort kommen.

Der Film kehrt zurück zu Kennedys Anfängen als abenteuerlustiger Student in den 30er-Jahren und erzählt sein Leben anhand seiner Reisen durch das Europa der Vor- und Nachkriegszeit. Er lässt sich vom kulturellen Erbe begeistern. Ein junger Mann, der seinen Weg im Leben sucht, der begeistert ist von Hofbräuhaus, deutschen Autobahnen und Kölner Dom und dabei auch schon mal von der Überlegenheit der „nordischen Rasse“ schwadroniert

Erst nach und nach distanzierte sich Kennedy von den reaktionären politischen Vorstellungen seines Vaters. Im zerstörten Berlin befragt er 1945 als Reporter die vom Krieg traumatisierten Menschen und ist erschüttert über ihre Schicksale. Später reift er zum besonnenen Politiker, der Jahre nach dem Mauerbau gegenüber der UdSSR eine Doppelstrategie aus Machtdemonstration und Verhandlungsbereitschaft entwickelt, kulminierend in jener denkwürdigen Rede im Juni 1963.

Am Ende dieses Films von Kai Christiansen und Dirk Eisfeld sagt Danne/Kennedy, nun gefasst und gestärkt: „The Show must go on“, geht hinaus zu den Berlinern vorm Rathaus Schöneberg, und hält die berühmte, Zuversicht bringende Rede.

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