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Taucher in Taiwan suchen nach Überlebenden des Fluges GE235

© dpa

Update

Flugzeugabsturz in Taiwan: Angehörige strömen zur Absturzstelle - der tote Pilot wird gefeiert

Wrackteile des Unglückflugs GE235 sind über den Fluss in Taipeh verteilt. Taucher suchen jeden Zentimeter des Flussbettes nach elf Vermissten ab. Aber die Hoffnung schwindet, sie lebend zu finden. Derweil sind schwere Vorwürfe gegen die Airline erhoben worden.

Nach dem dramatischen Flugzeugabsturz in der Millionenstadt Taipeh hat sich die Rettungsaktion auf vermisste Passagiere konzentriert. Von den 58 Menschen an Bord des Fluges GE235 kamen mindestens 32 ums Leben, elf gelten weiter als vermisst, wie die taiwanesische Nachrichtenagentur CNA am Donnerstag unter Berufung auf die Feuerwehr berichtete. Das Flugzeug hatte kurz nach seinem Start vom Flughafen in der Millionenstadt Taipeh eine Brücke in einem Wohngebiet gerammt und war anschließend in einen Fluss gestürzt.

Dutzende Taucher suchten am Donnerstag den Fluss ab. Der Rumpf der Maschine hatte sich in das Flussbett gebohrt. Mit einem Kran konnten die Rettungskräfte sowohl die Front als auch das Heck des zweimotorigen Turboprop-Verkehrsflugzeugs vom Typ ATR-72 aus dem Wasser ziehen. Aber es liegen weiterhin Teile der Maschine im Fluss.

Viele Wrackteile noch nicht geborgen

„Das ist eine sehr schwere Rettungsmission“, sagte ein Taucher gegenüber Reportern. Das Wasser sei sehr trübe. Überall lägen noch Wrackteile auf dem Grund. Und das Wasser sei so kalt, dass die Taucher ihre Suche jeweils nach rund einer Stunde unterbrechen müssten.

An den Flussufern stemmten Rettungskräfte große Wrackteile der Maschine auf, um nach eingeschlossenen Passagieren zu suchen. Immer mehr Angehörige strömten am Donnerstag zu der Absturzstelle. Manche Angehörige waren extra aus China angereist, um von ihren Lieben Abschied zu nehmen. 31 Passagiere kamen aus China. Buddhistische Mönche begleiteten die Angehörigen für eine traditionelle Abschiedszeremonie. Dabei verbeugten sie sich in Richtung des Flusses und hielten Spruchbänder aus Papier und Stoff in die Höhe, die die Seelen der Toten zu ihren Ruhestätten leiten sollen.

Die Leichen des Piloten, Kopiloten und Flugingenieurs konnten in der Nacht auf Donnerstag geborgen werden. Wenig später wurden die Körper von zwei Passagieren einen halben Kilometer von der Absturzstelle entfernt im Wasser entdeckt. Die Einsatzkräfte befürchten, dass noch mehr Menschen von der Strömung abgetrieben worden sein könnten.

Amateuraufnahmen zeigen den Absturz des Flugzeugs von Transasia in Taiwan.

© AFP/TVBS Taiwan

Flug GE235 der Airline Transasia war am Mittwoch um 10.52 Uhr (Ortszeit) in der Millionenstadt gestartet, um zur Insel Kinmen zu fliegen. Wenige Minuten später fing die Luftfahrtbehörde einen Notruf auf. Anschließend riss der Kontakt ab. Für die taiwanesische Fluggesellschaft Transasia war es schon das zweite Unglück innerhalb von sieben Monaten. Die Auswertung der Daten aus der Blackbox soll den Hintergrund des Absturzes klären.

Als Vorsichtsmaßnahme erteilte Taiwans Luftverkehrsbehörde (CAA) allen Flugzeugen des Typs ATR 72 ein Startverbot. Während der vergangenen 20 Jahre hatte es vier schlimme Flugzeugabstürze mit ATR 72-Maschinen von taiwanesischen Fluggesellschaften gegeben. Bei einem Unglück im Juli des vergangenen Jahres war eine Maschine der Transasia des gleichen Typs bei einem Sturm auf der Insel Penghu in ein Wohngebiet gestürzt. 48 Menschen kamen ums Leben.

In taiwanesischen Medien wurden schwere Vorwürfe gegen die Airline erhoben. Eine Zeitung behauptete, dass sich vor dem Abflug andere Piloten über Probleme mit einem Triebwerk der Maschine beschwert hätten, Transasia das aber nicht näher verfolgt habe. „Das ist falsch“, konterte Transasia-Vizechef Wang Cheng-chung in einer Pressekonferenz. Die Fluggesellschaft habe alle nötigen Sicherheitsuntersuchungen durchführen lassen und die Unterlagen darüber an die Behörden weitergegeben.

Taiwan feiert toten Piloten als Helden

Liao Chien Tsung wurde am Donnerstag im Internet und in Medienberichten zum Helden erklärt. Der 41-Jährige habe geistesgegenwärtig eine noch größere Katastrophe verhindert, als er die Turboprop-Maschine in einen Fluss in der Hauptstadt steuerte.

Die Zeitung "Apple Daily" widmete Liao ihre Titelseite und dankte dem früheren Luftwaffenpiloten dafür, dass er "Taipeh gerettet" habe. Am Mittwoch veröffentlichte Videoaufnahmen eines Autofahrers lassen erahnen, wie die Crew mit höchstem Einsatz offenbar versuchte, den Schaden möglichst gering zu halten: Das viel zu niedrig fliegende Passagierflugzeug fegt über die Stadtautobahn hinweg, kippt zur Seite, streift mit der linken Tragfläche ein Taxi, dann das Brückengeländer - und stürzt mit 58 Insassen in den Keelung-Fluss.

"Der Pilot hat sich offenbar gezielt bemüht, weitere Opfer zu vermeiden, indem er in dem Fluss notwasserte", sagte Luftfahrtexperte Daniel Tsang in Hongkong. "Es war ein sehr mutiger Schritt." Im Internet wurde Liao als "Held" gefeiert. Auf Facebook schrieb eine Nutzerin, der Pilot habe es offenbar geschafft, mehrere nahe Hochhäuser zu verschonen. "Wir sind sehr stolz auf ihn. Es war sehr mutig, die Gebäude zu meiden", sagte eine Tante des Verstorbenen zu Reportern. Präsident Ma Ying Jeou besuchte trauernde Angehörige und Familien von Verletzten.

Einsatzkräfte in Taiwan sammeln das Fluggepäck der abgestürzten Maschine.

© dpa

Die Suche nach zwölf Vermissten ging derweil weiter. Hunderte Helfer, darunter Taucher und Soldaten, suchten im trüben Wasser des Keelung-Fluss nach Opfern. 31 Tote wurden bislang geborgen. Neben Pilot Liao starb auch der Co-Pilot der Maschine bei der Bruchlandung. Dutzende Angehörige warteten am Ufer und riefen verzweifelt die Namen von Vermissten. In der Nacht zum Donnerstag gelang es mit Hilfe eines Krans, das Heck und den mittleren Teil des Wracks zu bergen. Taucher suchten wegen starker Strömung auch flussabwärts nach weiteren Opfern.

Wundersame Rettungen

Unterdessen meldeten sich Überlebende mit Berichten über ihre wundersame Rettung: Eine Familie überlebte den Absturz nach den Worten eines Angehörigen offenbar deshalb, weil sie kurz vor dem Start die Plätze getauscht hatte. So waren sie nach dem Unglück nicht weit von einem klaffenden Riss im Rumpf entfernt, durch den der Mann erst seine Frau aus dem Wrack ziehen konnte, um danach seinen leblos im Wasser treibenden kleinen Sohn zu retten und erfolgreich wiederzubeleben. Ein 72-Jähriger sagte dem Sender ETTV, er habe mehreren Passagieren dabei geholfen, ihre Sicherheitsgurte zu lösen.

Kurz vor dem Absturz hatte die Besatzung noch einen Notruf abgesetzt. "Mayday! Mayday! Engine flameout", war in dem vom Fernsehen veröffentlichten letzten Funkspruch zu hören - was bedeutete, dass mindestens eines der Triebwerke ausgefallen sein musste. Weiteren Aufschluss soll die Auswertung der geborgenen Blackboxes bringen.

Es war bereits der zweite Absturz einer Maschine der privaten taiwanischen Fluggesellschaft innerhalb eines halben Jahres: Ende Juli war eine Turboprop mit 58 Menschen an Bord bei einem missglückten Landemanöver inmitten eines Taifuns in zwei Häuser der Penghu-Inseln gekracht. 48 Insassen wurden getötet, fünf Menschen am Boden verletzt. TransAsia ist Taiwans erste private Fluglinie. (dpa, AFP)

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