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Von Berlin aus weit weg. Der Bahnhof der ukrainischen Hauptstadt Kiew

© dapd

Nachtzüge in Europa: Bahn streicht Direktverbindung von Berlin nach Kiew

Die letzte direkte Zugverbindung aus Deutschland in die Ukraine wird gestrichen. Als Begründung gibt die ukrainische Bahn mangende Rentabilität an.

Von Matthias Meisner

Liebhaber von Nachtzugreisen hatten es befürchtet: Ein Zug mit oft nur drei Wagen und dann maximal 84 Plätzen auf einer Strecke von 1450 Kilometern lasse sich nicht wirtschaftlich betreiben, schrieben Leser des Magazins „Drehscheibe“ vor Monaten über den direkten Nachtzug von Berlin-Zoologischer Garten über Warschau nach Kiew. Der Nachtreiseverkehr zwischen Deutschland und der Ukraine sei „längst in der Sackgasse“.

Jetzt geht es nur noch bis Ende September mit dem D 445 täglich um 21.35 Uhr los in Berlin, nach planmäßig 23 Stunden und vier Minuten ist der Zugreisende in der ukrainischen Hauptstadt. Danach wird die letzte Direktverbindung zwischen Deutschland und der Ukraine gestrichen, aller Voraussicht nach endgültig. Und das nur wenige Monate nach der Fußball-Europameisterschaft, die Polen und die Ukraine gemeinsam ausrichteten und zu der das Zugangebot Richtung Osten im Frühjahr gerade erst ausgeweitet worden war.

Helmut Lutz vom Reisebüro Kopfbahnhof in Berlin-Schöneberg, das sich auf Zugreisen spezialisiert hat, bestätigte dem Tagesspiegel, dass die Ukrainische Bahn UZ zum 2. Oktober „aus wirtschaftlichen Gründen“ ihre Nachtreiseverbindungen im Verkehr der beiden Länder eingestellt habe. Als Alternative bleibe nur der Umstieg in Polen – etwa in Krakau. „Solange von dort noch Nachtzüge in die Ukraine fahren“, wie Lutz ergänzt. Einmal wöchentlich gibt es schließlich noch ab Berlin Kurswagenverbindungen der russischen Bahn RZD. „Wirklich schade“, sagt Lutz. „Das Sterben der Nachtzüge geht weiter.“

Schon vor einem Jahr hatte die Bahn die direkten Kurswagenverbindungen in andere ukrainische Metropolen gestrichen – etwa nach Donezk im Kohlerevier, ins westukrainische Lemberg (Lviv), nach Dnepropetrowsk oder nach Odessa am Schwarzen Meer.

Die elektronische Fahrplanauskunft der Bahn bietet aktuell zwar noch für die Herbstmonate von Oktober an mehrmals pro Woche noch einen Direktzug nachmittags von Berlin nach Kiew: Buchen lässt der D 441 sich nicht – denn auch diese Verbindung ist in Wirklichkeit bereits dem Sparzwang zum Opfer gefallen. Fachleute rechnen nicht damit, dass die Verbindungen im kommenden Jahr wieder aufgenommen werden.

Dass überhaupt die Direktverbindung noch bis Ende September bedient wird, liegt dem Vernehmen nach an der Russischen Bahn: Sie bestand auf der Einhaltung eines Vertrages, nach dem sie einen Kurswagen nach Kaliningrad, ins frühere Königsberg, anhängen darf.

Die Nachtzugreisen Richtung Osten waren etwas für Leute mit Zeit. An der polnisch-ukrainischen Grenze stehen die Züge eine ganze Weile für die Pass- und Zollkontrolle, später müssen die Drehgestelle der Waggons aufwendig ausgetauscht werden, damit die Wagen auf der breiten Spurweite in der Ex-Sowjetunion rollen können. Die Verbindung nach Kiew ist dennoch laut Kopfbahnhof-Chef Lutz „oft verkauft“ worden, obwohl Sparpreise für günstigere Hin- und Rückfahrt schon vor einer Weile gestrichen wurden und auch die Bettpreise angehoben wurden. Dennoch kam die Reise meist billiger als die mit dem Flugzeug. Benutzer berichteten dennoch später in Internetforen: Statt eines Frühstücks seien „versteckte Zigaretten und anderes Schmuggelgut im Preis inklusive“. Mit der Samowar-Romantik, bei der die Schaffnerin morgens frisch gebrühten Tee anbietet, scheint es zumindest auf den von der ukrainischen Bahn bedienten Strecken schon längere Zeit vorbei zu sein.

In den Internetforen fällt die Bilanz zum Nachtzugverkehr in Osteuropa schlecht aus. Eisenbahnfreunde üben Kritik an der Deutschen Bahn, die die unternehmerische Verantwortung dafür größtenteils abgegeben habe. Sie machen sich auch lustig über ein höchst kompliziertes Buchungssystem, das den Fahrkartenkauf oft nahezu unmöglich mache. Pannen würden sich „immer wieder wiederholen“, schrieb ein Kunde im vergangenen Dezember. Bestimmte Kurswagen würden gar nicht angezeigt, beim Kaliningrad-Kurswagen fehlten in der Fahrplanauskunft die Zwischenhalte. Und: „Für den Kurswagen Amsterdam – Minsk wird die Buchung an Tagen freigegeben, an denen dieser gar nicht verkehrt.“

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