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Ermittler tragen Kisten mit Akten aus einem Büro in Seoul.

© Reuters

Update

Untergang der Sewol vor Südkorea: Ermittler durchsuchen Büros der Schiffsbetreiber

Eine Woche nach dem Fährunglück in Südkorea ermittelt die Justiz auch gegen Reederei und Betreiber der Sewol. Unterdessen bergen Taucher Tag und Nacht Leichen aus dem havarierten Schiff.

Eine Woche nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre „Sewol“ hat die Justiz ihre Ermittlungen gegen die Reederei und deren Partner ausgeweitet. Geschäftsräume von zehn Firmen mit Verbindungen zur Chonghaejin Marine Company seien durchsucht worden, sagte Staatsanwalt Kim Hoe Jong am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Überdies wurden gegen mehr als 70 Mitarbeiter von Chonghaejin und Partnerfirmen 30-tägige Reiseverbote erlassen.

Der Verdacht gegen die Betroffenen reicht von Steuerhinterziehung über Unterschlagung bis zu krimineller Fahrlässigkeit. „Wir versuchen auch, Gewinne aus illegalen Geschäften und versteckte Guthaben einzuziehen, die für die Entschädigung der Familien der Unglücksopfer genutzt werden sollen“, sagte Kim.

Die „Sewol“ war vor einer Woche auf dem Weg zur Insel Jeju mit 476 Menschen an Bord gekentert und später gesunken. 174 Insassen wurden gerettet. Die Zahl der bestätigten Todesopfer stieg am Mittwoch auf 146. Die Vermissten werden noch in dem Schiff vermutet und von Tauchern gesucht. Die Suche konzentrierte sich Berichten zufolge zuletzt auf die Kabinen und einen Speisesaal auf Deck drei und vier. Es wird vermutet, dass dort die meisten Passagiere eingeschlossen wurden.

Umstände des Unglücks sind noch ungeklärt

Die Familien der Vermissten hatten gefordert, die Suchaktion in dieser Woche abzuschließen. In der Nähe der Unglücksstelle stehen seit Tagen riesige Schwimmkräne bereit, um das Schiff zu heben.

Ein Taucher springt am Unglücksort ins Wasser, um im Wrack der „Sewol“ Todesopfer zu bergen.
Ein Taucher springt am Unglücksort ins Wasser, um im Wrack der „Sewol“ Todesopfer zu bergen.

© REUTERS

Die Umstände des Unglücks sind noch nicht aufgeklärt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Auto- und Personenfähre während eines Kurswechsels kenterte. Doch der genaue Hergang des Unglücks ist noch offen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass die Ladung verrutschte und das Schiff dadurch Schlagseite bekam, bevor es schließlich vollständig auf die Seite kippte.

Sieben Crewmitglieder wurden verhaftet, darunter Kapitän Lee Joon Seok. Sie sollen die Evakuierung verzögert und die Passagiere im Stich gelassen haben, weil sie frühzeitig das Schiff verließen. Zwei weitere Besatzungsmitglieder sind seit Dienstag in Polizeigewahrsam, aber bisher noch nicht angeklagt.

Tauchern bietet sich ein Bild des Grauens

Niemand mag sich ausmalen, welches Bild sich den Tauchern in der "Sewol" bietet. Mutmaßlich noch 150 Kinder treiben tot in diesem Wrack und werden nacheinander von den Tauchern geborgen. Trübes Wasser. Das Licht einer Tauchlampe scheint auf. Es herrscht eine Sichtweite von vielleicht zwanzig Zentimetern. Ein Seil dient dem Taucher zur Orientierung. Die ruhigen regelmäßigen Atemgeräusche des Tauchers sind zu hören, dann erscheint etwas Weißes, Solides. Es ist eine Außenwand der untergegangenen Passagierfähre „Sewol“ vor der Westküste Südkoreas. Der Taucher tastet sich weiter voran: Ketten, Leitern, Taue, die Schiffswand … Viel lässt sich nicht erkennen auf den Unterwasseraufnahmen des südkoreanischen Fernsehsenders KBS, dennoch geben sie einen Eindruck von der schwierigen Arbeit der mehr als 750 Taucher, die inzwischen rund um die Uhr zum Wrack der Sewol tauchen und nach Vermissten suchen.

Tote in der Sewol: Die Leichen fangen nach 72 Stunden an zu verwesen

Über 100 Boote und Schiffe der Küstenwache und der Marine, etwa drei Dutzend Flugzeuge und Helikopter, sowie zwei ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge sind inzwischen im Einsatz in den Gewässern vor der Insel Jindo. Die Wetterverhältnisse haben sich verbessert, weswegen die Bergungsarbeiten schneller vorankommen als noch vor einigen Tagen bei stürmischer See. Die Zahl der offiziell bestätigten Toten erreichte am Mittwochvormittag (Ortszeit) 150, während noch weitere 150 Menschen vermisst werden.

Auch wenn inzwischen allen klar ist, dass die Wahrscheinlichkeit, Überlebende zu finden, gegen null geht, liefern sich die Taucher ein Wettrennen gegen die Zeit. Die Nachrichtenagentur Yonhap gibt unter Berufung auf Expertenmeinungen zu bedenken, dass bei einer Wassertemperatur von über 7 Grad Celsius der Verwesungsprozess 72 Stunden nach dem Todeszeitpunkt beginnt. Der Untergang der „Sewol“ ist mittlerweile fast eine Woche her. Die Wassertemperatur an der Unglücksstelle beträgt an der Oberfläche zirka 13 Grad, in 30 bis 35 Meter Tiefe, wo die „Sewol“ liegt, etwa 8 Grad. „Wenn noch mehr Zeit vergeht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Leichen dort unten verwesen“, erklärt ein Taucher der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. Er fügt hinzu: „Wegen der schlechten Sichtweite tasten wir uns nur voran, wenn wir die Leichen bergen.“

Namenlos Helden an der Küste von Südkorea

Wie dieser Taucher sind hunderte namenlose Rettungskräfte und freiwillige Helfer die stillen Helden des Unglücks. Einheimische kamen bereits Stunden nach dem Unglück zur Hilfe und kümmern sich seitdem um die Überlebenden und die Familien der Toten und Vermissten. Auch eine Gruppe des buddhistischen Jogye-Ordens reiste nach Jindo und versorgt dort die Rettungskräfte mit Essen und Tee und bietet den Angehörigen der Überlebenden, der Toten und Vermissten spirituellen Beistand.

Diese Unterstützung ist bitter nötig. Nach Tagen des Wartens, des Hoffens und des Bangens ist die Verzweiflung der Angehörigen in Wut umgeschlagen, die sich gegen die Regierung, gegen die Ordnungshüter, gegen die Rettungskräfte und auch gegeneinander richtet. Die Nachrichtenagentur Yonhap berichtet, dass es mehrfach zu Handgemenge und Streit zwischen Familien der Überlebenden und Familien der Vermissten kam. Einige der unschönen Szenen, die sich in den Notunterkünften abspielten, führen zu Irritation. Am Montag musste der konservative Abgeordnete Chung Mong-joon, ein Sohn des Hyundai-Firmengründers Chung Ju-yung, eine öffentliche Entschuldigung abgeben, weil sein 19-jähriger Sohn auf Facebook das Verhalten der Angehörigen als „unzivilisiert“ kritisiert hatte.

Verunglimpfung der Retter und Opfer im Internet

Am Dienstag wurden drei Verdächtige festgenommen, die im Internet Unwahrheiten über die Rettungsarbeiten und Verunglimpfungen der Opfer verbreitet hatten. Bei einem der drei Festgenommenen handelt es sich um einen 31-jährigen Mann, der sich im Internet als Taucher ausgegeben habe und behauptet hatte, dass er bei den Rettungsarbeiten von den Verantwortlichen behindert worden sei. Ermittlungen ergaben, dass der Festgenommene keinen Tauchschein besaß und seine Behauptungen völlig haltlos waren. (mit AFP/dpa)

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