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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (15): Mit Verspätung nach Horni Plana

Auf dem Weg von Susice nach Horni Plana trifft unser Kolumnist Helmut Schümann auf einen tschechischen Chirurgen, der Deutschland, im Gegensatz zu Österreich, sehr bürokratisch findet. Ein altes Klischee?

Möglicherweise war das nicht der beste erste Eindruck, den der Wanderer am Bahnhof in Susice hinterließ. Der Plan war gewesen, von Zelezna Ruda aus nach Susice zu laufen, dann ein Stück mit Bus oder Bahn zu fahren, um nach Horni Plana zu kommen, der letzten Station in Tschechien, von wo aus ich am nächsten Tag nach Ulrichsberg in Österreich wandern wollte. Teil eins des Plans ging auf.

Auf dem Bahnsteig von Susice war eine Durchsage zu hören. So viel tschechisch verstehe ich inzwischen, dass der Schienenbus zwanzig Minuten Verspätung haben würde. Zwanzig angekündigte Minuten Verspätung, da unterscheidet sich Tschechien nicht von Deutschland, werden schnell mal zu dreißig Minuten. Dreißig Minuten, das sind in der Ebene etwa zwei bis drei Kilometer zu Fuß, ich bin aber nicht mehr in der Ebene, der Anschluss nach Horni Plana würde weg sein.

„Scheiße“, sagte ich halblaut vor mich hin.

„Oh, Sie sprechen deutsch“, sagte ein Mann neben mir.

„Ja“, sagte ich, „ich kann sogar mehr als dieses Wort.“

Der Mann lachte. Er war mit einem Mountainbike unterwegs, ein paar Tage in der tschechischen Heimat. Später, als der Zug endlich kam und wir ein Stück gemeinsam fuhren, erzählte er, dass er Arzt sei, Chirurg, und lange in Sachsen gearbeitet habe und jetzt in Österreich, in Gmünd in Kärnten. „Parma heiße ich“, sagte er „wie der Parma-Schinken, Raduz Parma.“ Es gibt Europa, dachte ich, Europa funktioniert.

Nachdem wir ausgestiegen waren, schob er sein Rad und begleitete mich ein Stück, bis ich wieder auf meinem Weg war. Meine Frage, nach dem Unterschied zwischen Deutschland und Österreich, war naheliegend für diese Umwanderung, banal war sie natürlich auch. Raduz Parma antwortete naheliegend. „Ich Schwarzenberg in der Nähe von Aue habe ich in einer Privatklinik gearbeitet, fünf Jahre lang, in einer einzelnen Privatklinik, keiner Kette wie Helios, und der größte Teil der Arbeit bestand darin Formulare auszufüllen und Genehmigungen einzuholen. Das ist in Österreich ganz anders, viel lockerer.“

Dafür können die kein Fußball, dachte ich. Klischees, die ich selber kenne, habe ich jetzt genug gehört. Ich verabschiedete mich von Raduz Parma, Parma, wie der Schinken. Morgen mache ich nach Österreich rüber.

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